Zurückfinden

Manchmal trifft man Menschen im Leben, es kreuzen sich Wege, und dann ist alles möglich. Scheint alles möglich. Denn manchmal scheint es einfach, und es ist schwer. Man trifft sich, und es ist perfekt, aber es ist ein einziges Trümmerfeld, das man betreten hat.

Im Prinzip ist es richtig, aber jetzt ist nicht der richtige Moment. Was nicht heißt, dass der Moment nicht kommt. Ich habe Zeit. Ich habe Geduld und ich kann abwarten. In Ruhe. Und zusehen, wie es sich entwickelt. Wie es sich anfühlt.

Deswegen möchte ich weitermachen, ich möchte es nicht loslassen. Nicht die Verbindung verlieren, sondern dem Geschehen zusehen. Auch wenn es schwer ist. Da ist zu viel, als dass ich es so stehen lassen wollen würde. Auch zu weit, um es sein zu lassen. Und das seltsame Gefühl, dass der Moment, der richtige Moment, noch kommen wird. Dass es nicht um das ob geht, sondern um das wann. Nicht um das wie, sondern um die Umstände. Dass es nicht eine Frage ist, sondern eine Idee. Für die es sich lohnt, abzuwarten und sich Zeit zu lassen.

Und auch wenn man es nicht fassen kann,und wenn man den Weg nicht sieht, vom Ziel nur eine Vorstellung hat – weiterlaufen, immer weiter laufen.

Wir verraten uns so sehr, wir alle, jeden Tag wieder. Vielleicht mehr, manchmal weniger. Wenn es nichts mehr gibt, was sich gut anfühlt, was gut zu sein scheint, das ist der Weg, weiter. Und wenn der Weg verschwunden zu sein scheint, muss man zurückfinden. Mühsam, schwer, aber niemals lassen. Jeder hat nur das, was ihn antreibt.

http://vimeo.com/89027559

Wege beschreiten

Ganz oft werde ich in der Arbeit nach meinem Alter gefragt. Ich vermute, das liegt daran, dass ich erstens  mit so vielen Bürohengsten herumhänge und zweitens mein Alter schwer zu schätzen ist. Auf der Bühne werde ich manchmal für 16 gehalten, eine von den Geschäftsbekannten hat mich neulich auf sportliche 32 eingestuft und meinte mit einem Augenzwinkern, ich müsste mich ja (wie sie…) auch schon langsam beeilen, wenn das mit Kindern noch was bei mir werden soll. Klasse.

Egal. Dunkle Brille und Kostüme schlagen eben mindestens fünf Jahre drauf, wenn nicht mehr.

Und wenn die mich so nach meinem Alter fragen und ich es ihnen dann teilweise auch sage, und die Reaktionen beobachte, dann wird mir klar, wie alt sie eigentlich selbst alle sind. Und was sie in ihrem Leben schon alles erreicht haben, gesehen haben, erleben durften. Aber auch, in welch gefestigten Strukturen sie leben. Was ich nicht tue. Manchmal höre ich Sätze wie: „Ach ja, in Ihrem Alter, da wollte ich ja auch noch so viel machen…“ Und wenn ich dann neugierig und ein bisschen frech bin, frage ich: „Und, haben Sie das dann gemacht?“, und dann kommt als Antwort meistens etwas, das klingt wie: „Ach, wissen  Sie, Frau Schleibinger, das ist alles nicht so einfach…“ und dann schließt sich meistens die Story vom Pferd an.

Ja, es ist nicht so einfach. Denn jeder von uns beginnt irgendwann, einen Weg zu beschreiten. Erst ist es ein schmaler, sandiger Pfad, der aus der Spielwiese herausführt, sich aber noch durch blühende Hügelwiesen schlängelt, zwischen denen kleine Hasenbabys heumspringen, bevor er langsam asphaltiert und verbreitert wird. Und in eine Autobahn mündet, zum Beispiel. Es gibt ja durchaus auch Abzweigungen. Aber wenn man den Weg nicht als Weg an sich, sondern als die Hinführung zu einem Ziel betrachtet, wird das Ganze bedeutend schwieriger. Dann nämlich gerät man, wenn man der Richtung folgt, die man gewählt hat, in einen Strom aus Menschen, die einen begleiten, die in die gleiche Richtung laufen, das gleiche Ziel haben, die vielleicht sogar mit einem ihr Leben führen. Das ist ja auch schön, Weggefährten zu finden, Partner zu haben.

Aber was, wenn man irgendwann merkt, dass der Weg, den man gegangen ist, nicht dorthin führt, wohin man will? Das Ziel ein anderes ist? Je weiter man gegangen ist, je mehr man im Strom der Bekannten (mit)treibt, kurz, je älter man ist, desto schwerer ist es, dann eine Abzweigung zu nehmen. Man muss sich dazu aus dem Strom lösen, sich umschauen nach Alternativen, nach anderen Wegen, braucht vielleicht einen Kompass, um sich neu zu orientieren. Es ist nicht unmöglich, aber es ist schwer.

Und dann die Vorstellung, in die falsche Richtung gelaufen zu sein. Oder, noch schlimmer, passiv mit dem Strom der anderen, dem Geist der Zeit oder ähnlichem in dieser Kategorie, mitgeschwommen zu sein. Festzustellen, dass man das, was man gerade hat, worauf man sich gerade zubewegt, eigentlich überhaupt nicht will. Dass es vielleicht eine Alternative gibt, einen besseren Weg, einen interessanteren Beruf, unterhaltsamere Freunde, einen Partner, den man mehr liebt.

Davor habe ich am meisten Angst. Irgendwann so alt zu sein, so weit gegangen, dass es nicht mehr möglich ist, die Wege zu ändern, die man geht. Dass man sich nicht mehr traut, aus den Strukturen auszubrechen, in denen man sich bewegt, dass es nicht mehr ohne weiteres möglich ist, dass man sich in Zwänge gefügt hat (Kredit fürs Haus, Kinder, Familie, Göttergattin), die man nicht ändern kann. Mit denen man sich abfinden muss.

Abfinden. Das Wort trifft doch das Grauen. Dass man eines Tages in ein Stadium kommt, in dem man sich mit seinem Leben abfindet, anstatt es zu gestalten und zu genießen.

Ihr merkt, diese Angst, sie treibt mich ein wenig um, zur Zeit. Wir werden sehen. Ich bin jung und habe viele Wege vor mir, Möglichkeiten, die es in die Hand zu nehmen und zu gestalten gilt.

Wir sehen uns dann, in zwanzig Jahren, wieder auf der Häschenwiese, zwischen Zitronenbäumen und Rosenhecken, die bis dahin gewachsen und groß geworden sind. Und ich bin dort, mit einem Buch in der Hand. Meinem Buch.

Private Momente

Man mag es mir verübeln, aber ich bin mir sicher, niemand verübelt es mir so sehr wie ich. Die Versenkung, dieses Leben, das mich verschlingt. Manchmal kommen sie, die lichten Momente, die Sonne bricht dann durch das wirre Geäst in meinem Gehirn und es ist jedes Mal wie ein Schock. Und dann fahre ich meinen (privaten) Rechner hoch, höre Eels oder Flobots und schreibe. Wirre Gedichte, ich sage euch, was ich in der letzten Zeit so abgeliefert habe, ist nur Schrott. Manchmal arbeite ich auch an Sommerhaus, aber eher selten, ich habe zu wenig Zeit am Stück, muss mich aber jedes Mal aufs Neue wieder darauf einlassen. Und außerdem ist meine Inspirationsquelle weg — meine Jungs. Sie waren irgendwie immer präsent, im letzten Jahr, auch wenn sie nicht da waren, sie schwebten über den Dingen. Ich konnte sie fassen.
Jetzt habe ich sie selbst herausgekickt. Und damit die Faszination, die Wut, die Aggression, das Interesse und die Liebe, die mich mit ihnen und der Geschichte verbunden hat. Ich glaube, Sommerhaus profitiert davon. Weil es neutraler wird, weil der Erzähler mächtiger wird, weil die Jungs weninger destruktiv sind, als sie es schon drohten, zu werden. Aber ich renne mit dem Kopf im Nebel durch meinen Roman, auf der Suche nach dem, was mich einmal angetrieben hat.

Ich will das Ding fertig schreiben, das muss zu Ende gehen. Die Frage ist nur, wann. Ich hatte ja erzählt, dass ich als Eventmanagerin in einem Verlag arbeite. Nein, nicht das, was ihr denkt. ZEITSCHRIFTEN. Nein, auch keine wissenschaftlichen Fachpublikationen. Maximalpopulärwissenschaftlich, lautet die Devise. Und nein, ich schreibe nicht für die. Sehr selten. Wenn ich etwas mit Texten zu tun habe, dann, wenn ich die Artikel anderer zerlege. Dafür um so genüsslicher. Mit gewetztem Messer. Vielleicht, weil mir manchmal latent übel wird, wenn ich sehe, was jemand ohne jegliche literarischen Grund– oder Deutschkenntnisse (Kommasetzung! Rechtschreibung! Stilblüten!) schreiben kann und damit auch noch Geld verdient. Gut, es sind keine Romane, keine Erzählungen, nichts, wonach man nächtelang nicht mehr richtig schlafen kann. Es sind Geschichten. Storytelling ist ja in zur Zeit, unter den Werbeleuten. Zum Weinen. Man kann aus allem eine Geschichte machen. Oft sogar eine gute.

So kommt es, dass aus meinem Blog, das ich früher für die Publikation meiner Gedichte und Gedanken geführt habe, ab und an private Momente durchschimmern. Zumindest privatere, als ich sie mir in meinem Berufsleben erlauben kann. Eventmanagement; ihr wisst, was das heißt, wenn ihr DWWD gelesen habt. Vera… Witzig, als hätte ich es vor Jahren, als ich den Roman konzipiert habe, geahnt. Vera hat eine reale Vorlage. Ich mochte sie gern. Ich arbeite mittlerweile das gleiche. Ich mag sie immer noch. Mich, was ich tue, nun ja.
Wobei, eigentlich stimmt das nicht, es ist eher das, was der Job aus mir macht. Dieses viele Reisen. Ich komme zu nichts mehr, weil ich so viel Zeit in Zügen verbringe und Flugzeugen, und weil ich dann immer arbeite, an meinem Dienstrechner natürlich, oder lese, was sollte ich sonst tun. Man wird einsam.

Aber das eigentlich frustrierende ist, dass ich mich für eine Welt aufreibe, deren Puls schwächer wird. Der Dampf entweicht, die Zellen sterben ab, werden schlaff, die Haut hängt fahl am Gerippe der deutschen Zeitungs– und Zeitschriftenlandschaft. Der Witz an der Sache ist, dass es dem Magazin, bei dem ich arbeite, ziemlich gut geht. Aber der Rest der Wabe, in der wir geschäftig arbeiten, die wird weich, bröselig, überall nagt die Witterung. Man kann es sehen. Und fühlen. Und hören. Die Kollegen, in den Gängen, wie sie fluchen und schimpfen und kündigen und sich etwas anderes suchen.

Das Positive — ich bin viel unterwegs. Ich bin endlich in der Mischung ruhelos-ruhig, wie ich das immer gerne gehabt hätte. Es macht mir nichts aus, die anderen Städte, die Hotelzimmer, im Gegenteil, ich liebe Hotelzimmer. Ich liebe die Handtücher, flauschig und weich, ich liebe die sauberen Bäder, die nicht aussehen, als hätte ein  Tier mit langem, blondem Fell dort übernachtet. Motel One-Zimmer. Die sehen immer gleich aus. Man ist überall gleich zu Hause. Ich liebe auspacken, einpacken, Hotelbettwäsche, kühl und glatt. Nur die Zimmernummern, mit denen habe ich Schwierigkeiten. „Zimmer 408″, antworte ich auf die Frage an der Rezeption. „Kann nicht sein, haben wir nicht.“ „Hm. Vielleicht 308?“ „Vielleicht?!„
Ich mag Zug fahren. Ok, ich mag fliegen nicht, es ist langweilig und man sieht nichts und es zerreißt einem die Zeit — hinfahren, warten, einchecken, warten, Sicherheitsschleuse, warten, Boarding, warten, fliegen, warten, Gepäck holen, auf die Bahn warten.

Und, ich mag es, so viele Leute kennenzulernen. Alles potentielle Inspiration. Neulich habe ich einen jungen Mann in Hamburg fotografiert, er saß an der Alster und spielte Gitarre, und er hat dazu gesungen. Er war unglaublich schön. Und er hat herzzerreißend gesungen. Jason Marz. Ich habe das Bild gerade nicht da, ich poste es bei Gelegenheit mal. Er heißt Mark und ist 16. Und er träumt. Er will Musiker werden. Er hat geplappert wie ein Wasserfall. Er träumt. Er ist dabei, sich seinem Traum zu nähren, Stück für Stück, ich bewege mich von meinem immer weiter weg, jeden Tag, mit jeder Entscheidung.

Oder, ebenfalls in Hamburg, mein Professor. Ich nenne ihn so, er ist sogar nicht nur Professor, er ist Staatssekretär a.D. und Wissenschaftler, aber er ist auch mein Professor. Wenn ich in Hamburg bin, schaue ich zum Kaffeetrinken im Uniklinikum vorbei. Da arbeitet er. Offene Türen. Das ist schön.
Herr Pahnke. Ein ganz alter Mann, der mich in sein Herz geschlossen hat. Der mir alte Geschichten aus Hamburg erzählt, als er noch bei einer Reederei gearbeitet hat. Ich werde immer todtraurig, wenn wir uns unterhalten, und hoffe inständig, dass er noch lange lebt.
Es gibt so viele. Ich darf wiederkommen. Eine gute Erfahrung.

Oder mein Lieblings-Vermögensverwalter. Frankfurt, dieses Mal. Ich habe ihn auf einer unserer Veranstaltungen kennengelernt und wir haben uns ganz nett unterhalten. Seitdem treffen wir uns ab und zu, wenn ich in Frankfurt bin oder er in München. Es ist schön; mir macht es Spaß, mich mit ihm zu unterhalten. Aber das ist es nicht allein.
Was noch viel interessanter ist, ist die Tatsache, dass er ein absolut glatter Typ ist. Professionell, freundlich, nett, sympathisch. Ich kann mir schwer vorstellen, dass er nicht nett sein kann. Obwohl ich weiß, dass er es gut kann, aber es ist so schwer vorstellbar. Das „Glatte“ in seinem Gesicht hat er eigentlich immer, ganz gleich, worüber wir uns unterhalten. Auch wenn er lacht. Auch wenn es mir so vorkommt, als würde ständig, wenn ich ihm etwas erzähle, ein latent amüsiertes Grinsen über seinem glatten Lächeln hängen. Er ist ein paar Jährchen älter, möglich, dass er sich tatsächlich über meine Mitzwanzigjährige Naivität amüsiert.
Was ich eigentlich erzählen wollte — es sind seltene Momente, in denen man solche Menschen wie ihn, die „Erfolgreichen“ in diesem Land, wirklich privat erlebt. Und wenn es nur für einen kurzen Blick ist. Einen Atemschnapper.

Es liegt nicht daran, dass man sich keine privaten Sachen erzählen würde. Man plaudert irgendwann schon immer ziemlich viel, wenn man sich sympathisch findet; die Grenzen sind da fließend. Nur Hobbys, nur Sport, Familie auch oder nur Kinder? Was mir nach ein paar Gläschen Wein schon alles erzählt wurde, vorzugsweise von Herren Mitte bis Ende fünfzig, von Eheproblemen, Schwierigkeiten mit den Töchtern, Komplikationen mit den Affären, alles mögliche. Aber richtig privat sind die Menschen trotzdem selten, in ihrer Ausstrahlung, ganz gleich, was sie erzählen.

Aber meinen Vermögensverwalter, den erwische ich ab und zu. Und da freut es mich besonders. Weil der nämlich der Prototyp des sympatischen Glatten ist. Es gibt auch noch die unsympathischen. Das sind die, die in den Bankentürmen sitzen oder die Waschmaschinen verkaufen oder was auch immer. So einer ist er nicht, gar nicht. Aber trotzdem eben irgendwie unfassbar, nicht zu durchschauen.

Erzählt von Haustieren, Geschwistern und Familie und es sieht so aus, wenn man uns beobachten würde, als würden wir über die Farbe der Kieselsteine auf dem Weg reden. Mein persönliches, privates, (natürlich geheimes *glucks*) Spiel ist es, gut aufzupassen, um ihn einmal „privat“ zu erwischen. Sehr selten, aber klappt. Dann freue ich mich ein Goldfisch in der Pfütze auf einer Cannabisplantage.

Ich erkläre das mal, damit es verständlich ist. Letzte Woche, Caro in Frankfurt, trifft sich mit Lieblingsvemögensverwalter zum Mittagessen, „zum Lunch“, nennt man das. Wir stehen im Vapiano, wollen bestellen, Caro fällt ein, dass sie dem Taxifahrer gerade ihr letztes Geld in den Rachen geworfen hat. Tja, doof. Ziemlich peinliche Situation. Was tun? Pokern, dass er eh einlädt? Ist mir zu heiß, dafür hab ich zu schwache Nerven. Und wenn er es nicht tut, megapeinlich.
Also: Bescheid sagen. Caro erklärt, bietet einen Deal an. Er willigt ein. (Alles gut, das ist auch nicht der Punkt, auf den ich hinaus will.)
Ein bisschen hat er mich ausgelacht. Und als ich mich zum dritten Mal entschuldige und betone, wie peinlich mir das ist (es war mir unendlich peinlich), entfährt ihm ein „Jaaa-haa, passt schon.“ Grinsen.

Erwischt! Da war es, das private Lieblingsvermögensverwalter-Gesicht! Nur kurz, dann hat er sich wieder im glatten Griff. Aber immerhin.

Glucks.

Ganz viele Menschen in dieser Branche sind so, auch sehr viele, die ich sehr gerne mag. Die sind wie Raumschiffe. Man kann sie sehen, man kann mit ihnen lauter geschäftliche Dinge tun, klappt  wunderbar, man kann sich auch mit ihnen betrinken und um die Häuser ziehen (Lieblings-Kunstverwalterin, Assistentin des Lieblings-Wirtschaftsprüfers) und über alles mögliche ratschen (sogar Dreier, Sexflauten im Bett in langen Beziehungen), aber sie sich bei einem selbst zu Hause auf der Couch, am Esstisch, gemütlich kochend, auf dem Balkon, auch nur in der Lieblingsbar vorstellen, das kann man nicht. Was man eben sonst so tut, mit Menschen, die man mag. Auch nicht in Jeans und T-Shirt. Oder barfuß. Eher noch nur in Socken. Ok, lassen wir das. Oder im Kino. Keine Ahnung. Leben die eigentlich alle, so richtig?

So. Und jetzt weiß ich nicht, ob ich das alles gut finden soll, oder nicht.

Ach, eigentlich ist es ja auch nicht schlimm.

Meant to last forever.

Die Insel

Irgendwie ist es so ruhig geworden. Du bist weg, und du bist da, du liegst unter den Gründen und schweigst. Ich sehe in den Himmel hinauf, ich weiß, du siehst das gleiche wie ich, und doch, siehst du es nicht.Wenn ich jetzt an dich denke, bist du noch da, aber verschwommen, die Bilder verwischen, die Zeit, die Erinnerungen, sie werden unscharf. Es entgleitet mir.
Ich bin noch immer auf unserer Insel, doch ich bin alleine dort, du bist nicht mehr da, die Sonne scheint, der Sand ist heiß, das Wasser sanft, auch ohne dich.
Nur wenn ich tauchen gehe, sehe ich dich noch, finde ich dich noch. Du bist weit unten, siehst mich an, streckst deine Arme nach mir aus, deine Hände. Ich weiß, will ich sagen, ich verstehe das, alles, aber trotzdem, es bleibt diese Frage. Nach dem Grund, dem Zeitpunkt, dem Fehler. Es spielt keine Rolle, und doch treibt es manchmal noch immer an die Oberfläche und schaukelt in den Wellen meiner Gedanken. Aus dem Boot ist eine Walnussschale geworden, immerhin.
Es ist ruhig geworden, seit du schweigst, seit du versinkst in den Tiefen meines Gehirns, seit du unter den Gründen schwebst, auf und ab, und vorgezogen hast, zu verschwinden.

30. August 2013, München

Baby, we’ll be old

Nun ist es also tatsächlich passiert. Ich bin da gelandet, wo ich eigentlich nicht hinwollte — mitten hinein in die Wirtschafts-Karriere-Welt. Rekapitulieren wir das kurz: Vor zwei Monaten habe ich hier noch groß herumgetönt, dass ich nun einen Teilzeit-Job habe, chillen kann und schreiben.

Das, was ich immer gerne wollte.

Tja. Aus und vorbei. Ich bin eingekauft worden, sozusagen, von der einen GmbH in die nächste einer AG. Nun aber mit Vollzeit-Job, Verantwortung, Stress, 50-Stunden-Woche, Geld, vielen Reisen, viel Reden, viele Leute kennen lernen und wenig das tun, was ich wirklich will. Meine Geschichten schreiben.

Was soll ich sagen, es ist ein fabelhafter Job, mit fantastischen Perspektiven, einem Team voller Freaks, die witzig sind, mir aber (fast) alle nichts zu sagen haben und ich mich deswegen ungestört frei entfalten und meiner Arbeit nachgehen kann. Mich austoben kann. Ich habe mich teilweise gefühlt wie ein Rennpferd in einer Box, das mit den Hufen scharrt und endlich raus will, rennen — Rennen bis es nicht mehr geht. Mache ich jetzt, und es tut gut. Ich merke schon nach den ersten Wochen, was da alles an Potenzial in mir da ist. In der Firma sowieso.

Aber es gibt eine Erkenntnis, die weh tut. Ich bin vollkommen richtig in diesem Job, an dieser Stelle. Von meinem Studium her, meinen Fähigkeiten, meinem Wissen und meinen Begabungen. Ich schreibe auch, relativ viel sogar dafür, dass ich keine Redakteurin bin. Aber es  ist eben nicht das, was es sein könnte. Es sind keine Bücher, es sind nicht meine Geschichten, sondern die von anderen, es sind keine Texte, die um ihrer selbst Willen existieren, sondern Texte, die einen Zweck haben.

Ich bin weiter von meinem Traumberuf weg, als ich es jemals war. Ich nutze die spärliche Zeit, die mir bleibt, um zu schreiben, aber noch habe ich keinen Modus gefunden, in dem es gut geht und ich zufrieden bin. Und gerade die Arbeit an Sommerhaus spannt mich sehr ein und nimmt mich ziemlich mit. Ich habe auch das Gefühl, dass ich für den dritten Teil des Romans noch viel denken muss, konzeptionieren, und vor allem lesen. Zeitlich wird das eng.

Ich werde darüber noch ein bisschen nachdenken. Aber es wird sich einiges ändern müssen.

Deine Welt

 

… wird wieder zu meiner.

Ich war über das Wochenende auf dem Land, einmal wieder Reiten, im Wald, Spazieren gehen, in den Himmel schauen. Die Blumen, die Farben, endlich wird es wieder lebendig draußen. Zeit, dass dies auch in München so wird.

Call me Drella, Samstag Nacht

Manchmal packt es mich, dann muss ich zu einem Stift greifen, dann habe ich das Verlangen, etwas aufzuschreiben, jetzt, sofort, weil ich es jetzt muss, weil ich es vergessen würde und niemals so präzise wieder aufschreiben könnte. Der Stift ist dann meist nur geliehen, das Papier ein Stück Zewa oder, wenn es gut läuft, ein Blatt aus einem Kellner-Block.
Das ist oftmals nachts, in Clubs, wenn ich ausnahmsweise kein Notizbuch dabeihabe, wenn ich mir von einem Barkeeper einen Kugelschreiber besorgen muss und hastig im Halbdunklen, auf einem nassen Tresen etwas auf eine Serviette kritzle. Aber es geht nicht anders, das ist ein brennendes Bedürfnis. Ich habe hier schon einmal einen solchen Text veröffentlicht, es ist etwa zwei Jahre her, der Text heißt Nachtsichten. Das passiert mir ab und zu, aber nicht immer sind die Texte gut, die dabei herauskommen. Oft nur verzweifelt über die Welt, und am nächsten Morgen scheint die Sonne und ich denke mir, ist doch alles gar nicht so schlimm.

Gestern Nacht war es wieder so weit. Ich war mit zwei meiner Mädels in einem Münchner Club, dem Call me Drella. Die Coolen sagen einfach nur Drella. Und von denen gibt es da drin einen ganzen Haufen.
Mein Problem am Münchner Nachtleben ist, dass es unmöglich geworden ist, in dieser zauberhaften Stadt einen vernünftigen Club zu finden, der nicht zu voll ist, sodass man tanzen kann; wo die Musik anders ist als die guten alten Charts, aber nicht zu abgefahren; wo die Besucher entspannt und nett sind, aber nicht zu toll; wo der Frauendurchschnitt ausgeglichen ist, sodass man nicht ab drei Uhr nur noch mit dem Abwehren von verzweifelter Belagerung beschäftigt ist; wo man älteres Publikum und „Männer“ und „Frauen“ trifft, und nicht nur pubertäre Teenager; wo man (tatsächlich) „Männer“ treffen kann, aber keine aggressiven Schnösel oder, noch schlimmer, Hipster; der nicht zu billig ist, sodass keine volltrunkenen Proleten durch die Menge strahlen; der nicht zu teuer ist, sodass junge Schriftsteller nicht pleite gehen. Das sind meine Kriterien. Und in einer riesigen Stadt wie München könnte man meinen, das dürfte doch nicht so schwer sein.

Ist es aber.

Gestern Nacht also nahmen mich zwei meiner Bekannten mit ins Drella. Man muss dahin mehr oder weniger „mitgenommen“ werden, weil die eine „harte Tür“ haben. Zunächst fand ich das super, denn die acht Bitches, die in verschiedenen Konstellationen vor uns anstanden, sind allesamt abgewiesen worden, die sahen einfach zu zickig und eingebildet aus. Ich habe einen guten Blick bei sowas. Frauen abscannen. Als Türsteherin für die Frauen-Auswahl würde ich mich eignen. Für Männer nicht so, die kann ich weniger gut einschätzen…
Auf jeden Fall, die Bitches wurden alle heimgeschickt, wir drei netten Mädels kamen aber ohne Probleme und umgehend rein. Das fand ich schon mal gut und habe dadurch vielleicht meine Erwartungen etwas zu hoch geschraubt.

Denn drinnen war es unglaublich voll, und unglaublich toll. Der Abend drohte, eine halbe Katastrophe zu werden, deswegen bin ich um drei gegangen.

Das Drella hätte einen schicke Location, auch das abgefahrene Konzept mit den Kostümen, der Schminke und den Tänzern wäre cool, aber trotzdem ist es das gleiche, wie überall in den anderen Clubs. Die Musik könnte gut sein, Ansätze sind da, viele, sehr gute, in den entscheidenden Momenten jedoch mixt der DJ wieder irgendeinen nostalgischen Quatsch aus meiner Kindheit rein, damit sie sich alle wieder so fühlen wie mit dreizehn. Die Barkeeper sind nett. Zu mir zumindest. Das ist schön.
Aber ansonsten, der Club? Die Leute?

Es ist immer das gleiche, immer die gleichen raketenvollen Idioten, die auf den Boxen stehen und die Arme heben, mit geschlossenen Augen und halbgeschlossenem Mund, einen Wodka-Bull in der Hand. Die gleichen Blicke, welche die Menge abscannen nach einem potentiellen Fortpflanzungs– und Liebe-fürs-Leben-Partner, während man sich narkotisiert und monoton zu den immer gleichen Beats bewegt. Kann da einer tanzen drin? Nein.
Auch deswegen nicht, weil es so voll ist, dass man sich permanent auf die Füße latscht. Wirklich voll. Brechend voll. So voll, dass sich diejenige eigendynamische Menge entwickelt, die hin und her wabert und an den Seiten die ausgefransten Ränder, von der Wellengewalt herumgeworfen, an die Wände torkeln.
Ich kann das nicht ausstehen.

Der immergleiche Blick der Münchner Tollen, der sagt, dass man das coolste hier drin und auch unter der Sonne ist. Das sind die, die mit dreißig im Dachstuhl hängen werden, weil sie alt geworden sind. Alt. Alleine. Während andere ein Leben haben, Freunde, eine Familie oder Kinder. Ein Leben.
Diese zwei Blick-Mischungen gibt es, den verzweifelt Suchenden und den Zu-cool-um-wahr-zu-sein-Fühlenden.

Dann gibt es noch die ganzen Aggro-Typen, Schnösel aus der Kategorie arrogant und neureich, schlecht erzogen mit Proleten-Tendezen. Champagner spritzen ist nicht cool, es war es noch nie und wird es auch nie werden, zumindest nicht in ernst zu nehmenden Gesellschaftskreisen. Champagner trinkt man, immer, aus Gläsern, nicht aus Flaschen. Das wissen alle Menschen, die gut und mit Sinn für Stil erzogen wurden, ganz gleich ob arm oder reich. Es ist peinlich, wenn achtzehnjährige sich eine Magnum-Flasche Moet rauslassen und damit in die Menge spritzen. Als würden sie mit diesem Fallus-Symbol ihre Potenz beweisen müssen. Nehmt das bildlich. Das nächste Mal, wenn ihr Zeuge von so etwas werdet, werdet ihr das Bedürfnis haben, euch zu übergeben.
Frauen machen sowas übrigens selten. Die dummen Weiber finden es geil und jubeln dazu und finden den Typen einen tollen Typen. Dass sie sich da gerade einen unleidigen Proleten angeln, ist ihnen scheinbar nicht bewusst.
Die Aggro-Typen sind übrigens auch die, die schubsen, sich rücksichtslos durch die Menge wühlen und Frauen nicht den Vortritt lassen. Die sich an der Bar und der Garderobe vordrängeln, 50-Kilo-Elfen-Mädchen umrennen, sie können es ja. Sie sind ja toll. Die mit stolz geschwellter Brust in klatschnassen Daunenjacken über die Tanzfläche laufen und eine glitschige Schleimspur auf den zarten, entblößten Damen-Armen hinterlassen.
Die meinen, Gesetze gelten für sie nicht und sie könnten im Club rauchen. Sorry Leute, aber ich finde das zum Kotzen. Gesetze gelten in einer Demokratie für alle gleichermaßen, wenn euch das nicht passt, wandert aus oder geht demonstrieren und besetzt irgendwelche Häuser (was diese Kategorie von Typen natürlich nicht tut), aber hört mit dem pseudo-revoluzzer-Ich-bin–toll–und-rauche-im-Club auf. Es ist ein Armutszeugnis.

Ins Drella wird man eigentlich erst ab 22 gelassen, aber ich frage mich, warum das Publikum dann trotzdem großteilig nur aus ausrastenden Teenies besteht.

Und die „Insider“, die seit zehn Jahren „in der Nacht“ arbeiten (zu denen hab ich übrigens auch mal gehört, bis ich mir dachte, ich will mehr vom Leben als mit dreißig in irgendwelchen Bars zu kellnern), sind nicht viel besser.
Die sind nicht ganz so aggro, meistens auch nicht ganz so stockbetrunken, aber trotzdem sehr von sich selbst überzeugt. Brüsten sich gerne damit, wen sie alles kennen, was sie alles schon erlebt haben und wo sie überall reinkommen. Die wollen einem (mir…) dann auch immer die Regeln des Nachtlebens erklären. Gestern ist mir wieder so ein Kandidat über den Weg gelaufen. Dass die ihren Club vollbekommen und deswegen alles mögliche an unmöglichen Leuten reinlassen, weiß ich, danke. Dass die Clubbetreiber in München nur eine Hand voll Leute sind und sich alle untereinander kenne, weiß ich auch, danke. Dass die wegen des abgefahrenen Konzepts des Drellas kommen, weiß ich. Dass es Begehrlichkeiten weckt und das Etablissement interessant macht, wenn viele Leute abgewiesen werden, kann ich mir denken.

Hach. Das Konzept. Brot und Spiele, ihr Lieben. Der Münchner Jugend versucht man, etwas Neues zu bieten. Die alten, jahrelang durchexerzierten Muster langweilen, sie sind nicht mehr attraktiv, interessant, ziehen nicht mehr, man gibt dort nicht mehr genug Geld aus. Großraumdiscotheken sind peinlich, deswegen gehen wir jetzt in winzige Clubs mit elitärem Publikum. Deswegen versucht man es mit Light-Shows, Gogo-Girls, Pornos an den Wänden, nackten Barkeeperinnen und Barkeepern, oder eben, wie im Drella, mit schrillen Kostümen und Schminke. Ja, es hat was, aber nein, es reicht nicht. Es ist ein genauso verzweifelter Versuch wie die Gogo-Girls im Neuraum, Großraumdissen-Gefühle kommen trotzdem auf. Und der Abend wird auch nicht dadurch rausgerissen, dass Travestie-Tänzer auftreten. Nein. Im Gegenteil, ich finde dieses Ausstellen von „diesen Andersartigen“ als Club-Sensation, die das Etablissement aufwerten soll, rassistisch und homophob. Keiner der Schnösel und keine der Bitches würde sich in einem Kostüm da oben hinstellen. Man schaut sie sich nur an, wie im Zoo.

Und manchmal, wenn ich dann nach Hause laufe durch mein München, frage ich mich, ob ich nicht einfach die Klappe halten sollte. Es ist doch gut so, wie es läuft. Horden junger Menschen geben Wochenende für Wochenende Unsummen ihres teilweise sauer verdienten Geldes in Clubs aus. Oder für Taxis. Es ist politisch gewollt, dass nachts keinen Ubahnen fahren, denn so muss man sich ein Taxi  nehmen und gibt noch mehr Geld in Umlauf. Ansonsten müsste die MVG noch mehr Ubahn-Betriebskosten und Fahrer bezahlen, aber bringen würde es nichts, denn die Fahrgäste hätten entweder sowieso ein Monatsticket und zahlen deswegen nicht mehr oder fahren im trunkenen Zustand gleich schwarz.
Die Wirtschaft brummt, denn Geld wird in Umlauf geschossen, milliardenweise, Alkohol wird konsumiert, die Ärzte verdienen an den Langzeitschäden, die Clubbesucher brauchen auch etwas teures und schickes zum Anziehen, am besten mit Polo-Pferdchen oder Krokodil drauf, Louis Vuitton verdient sich dumm und dämlich. Warum man mit riesigen, tausende Euro teuren Taschen weggeht, habe ich noch nie verstanden. Warum man seine teuersten Schuhe aus feinstem Leder in einem Club trägt, wo andere einem ständig auf die Füße treten, der Boden nass und voller Glasscherben ist und man laufend Drinks drübergekippt bekommt, habe ich ebenso noch nie verstanden.

Aber, das ist politisch gewollt. Diejenigen, die nämlich Wochenende für Wochenende Unsummen beim „Feiern“ (Was feiern die eigentlich? Dass sie existieren? Dass sie toll sind?) ausgeben, müssen das Geld auch verdienen. Und in der Regel entweder viel arbeiten oder finanzkräftige Eltern haben. Auf jeden Fall sind sie unter der Woche beschäftigt mit ihrem 40-Stunden-Job und am Wochenende mit schlafen und ausnüchtern, kommen nicht auf dumme Gedanken und haben oftmals nicht einmal die Zeit, eine vernünftige Zeitung zu lesen. Und wählen dann schön die FDP, weil die ihre neureichen Schnösel-Interessen vertritt.

Ich weiß, dass diese Erkenntnisse nicht neu sind, aber ich musste es mal loswerden.

Ach ja, und es ist Frühling geworden.

Update — Sommerhaus und Caros Pläne

Hallo meine Lieben,

nachdem ich mich nur immer mal wieder schlaglichtartig gemeldet habe, gibt es heute einen etwas ausführlicheren Eintrag. Es hat sich wieder viel getan in den letzten Monaten, aber eher hinter den Kulissen. Mein Caroten-Team und ich haben viel nachgedacht und konzeptionell einiges entworfen, was nun nach und nach umgesetzt werden soll. Die Webseite ist schlanker geworden (einige Texte sind nicht mehr online), die Twitter-Präsenz soll nicht mehr nur allein meinem Vergnügen dienen, sondern auch verstärkt eurer Information.

Außerdem habe ich mich mit „Sommerhaus“ um das Münchner Literaturstipendium 2013 beworben, allerdings ist erst im Herbst mit ersten Rückmeldungen zu rechnen. Da werden mit Sicherheit einige Manuskripte eingeschickt werden… Mal sehen, wie die Chancen stehen. Ich jedenfalls bin von dem Konzept des Romans überzeugt. Auch habe ich ein paar neue Testleser, denen ich sehr dankbar bin für ihr konstruktives Feedback. Dadurch konnte ich an der Konzeption von Sommerhaus viel Neues erarbeiten in der letzten Zeit, das wird nun im Text umgesetzt. Die Versionen für die Bewerbung und alle Korrekturen sind in das Master-Script eingearbeitet, ab Freitag dann geht es also mit der konkreten Arbeit am Text weiter und ich freue mich sehr darauf. Endlich wieder Schreiben! Nicht, dass Denken nicht auch toll wäre, aber Schreiben ist schon auch ein sehr zufriedenstellender Prozess.

Freitag geht es also weiter, warum Freitag? Weil ich seit 1. April nicht mehr in der Stiftung arbeite wie bisher, sondern in Teilzeit bei einem Münchner Zeitschriften-Verlag. Ein Schritt näher an das Feld, in dem ich tätig sein will, zudem habe ich so mehr Zeit für meine Texte. Was mir wichtig ist und in den letzten Monaten sehr gefehlt hat. Auch wenn mir viele von diesem Schritt abgeraten haben und meinten, in meinem Alter wäre es Wahnsinn, freiwillig Teilzeit zu arbeiten, ich komme bei einem 40-Stunden-Job zu nichts. Jedenfalls nichts gutem, außer ein paar kleinen verwirrten Gedichtchen, die ich meinen Lesern ersparen will…
Außerdem steht noch die Rückmeldung auf ein Bewerbugnsgespräch aus, beim dtv, wenn das klappen würde, wäre ich natürlich mehr als entzückt. Um mal unter uns zu mauscheln, die Stelle wäre perfekt für mich und jemand geeigneteren zu finden, der sich trotzdem schlecht bezahlen lässt (typisch Buchbranche, eine Katastrophe, aber was will man machen außer Seufzen), wird schwer für die. Ich bin gespannt. Diese oder nächste Woche erfahre ich, ob was daraus wird.

Insgesamt habe ich ein paar sehr turbulente und schwierige Wochen hinter mir, es bleibt zu hoffen, dass jetzt endlich wieder Ruhe einkehrt. Mein komplettes Archiv mit allen Tagebüchern und Fotoalben ist unwiederbringlich vernichtet, ein übereifriger Hausmeister hat nämlich einen Teil meiner Umzugskisten entsorgt, die für drei Stunden im Kellerflur standen, weil ich sie voll mit dicken Bänden nicht mehr tragen konnte. Das war ein ziemlicher Schlag für mich, da ist nicht nur 20 Jahre Aufzeichnungen über mein Leben zerstört worden, sondern auch ein Teil meiner Arbeitsgrundlage. Und alle frühen Texte, also vor 2008, die noch nicht digitalisiert (sprich abgetippt) waren, sind ebenfalls weg.
Dann der Umzug und der Umbau, lasst die Finger davon, ihr werdet nur Dreck, Ärger und schlaflose Nächte davon kriegen. Und ein leeres Konto.
Die Schleibingers sind eine weniger, meine Oma ist gestorben, nach einer schweren Krebserkrankung.
Ja, und die lieben Männer. Das ist auch so ein Katastrophen-Kapitel für sich. Lassen wir das. Man lebt sich leichter ohne sie. Die haben fast die gleichen Auswirkungen wie der Umzug und Umbau, fällt mir gerade auf… Ärger und schlaflose Nächte, und dazu noch Verwirrung und Kummer. Lasst die Finger davon, Mädels.

Aber wie bereits gesagt, es kehrt langsam Ruhe ein. Der Umbau des restlichen Teils meiner Wohnung liegt erst mal auf Eis, es ging nicht mehr, nach vier Monaten Chaos und Dreck brauche ich davon eine Pause. Neuer Job mit weniger Arbeitszeit, mehr Raum für Sachen, die mir wirklich wichtig sind. Und der Hausmeister wird verklagt, auf Schadenersatz und Schmerzensgeld, weil „so geht es nicht“, meinten Polizei und Anwalt. Nur Pech, dass sich Tagebücher und nicht digitalisierte Fotos eben nicht ersetzen lassen. Aber das wird schon.

Ruhe und Frieden, mehr brauche ich auch gar nicht zum Arbeiten.
Hab ich heute ein Lied für euch? Na klar.
Ein bisschen teenie, ein bisschen anti, aber das ist schon in Ordnung so. Das Lied ist super, um monstermäßig gut und destruktiv gelaunt auf dem neuen, satinierten Parkett in meinem Zimmer herumzuspringen. Und ein bisschen Mädchen sind wir doch alle, oder?

Bis bald

Eure Caroline

 

Ich bin zu spät

Ich habe letztes Jahr in einem dunklen Moment einen Text geschrieben, über die Welt und mich in ihr und wie das ist mit anderen Menschen. Das übliche eben, klassischer Caro-Stoff. Und gerade musste ich feststellen, den Text gibt es im Prinzip schon. So ähnlich.

Und zwar gibt es da ein Lied von Florence and the machine, dass ziemlich genau meint, was ich meinte. Ich dachte mal, ich teile das Lied mit euch, nicht meinen Text. Das ist nämlich viel besser.

Never let me go — Florence and the machine

Welt — Regt euch auf

Manchmal fragt man sich doch, was da draußen eigentlich los ist. Ich will es nicht zu spannend machen an dieser Stelle, aber ich habe Ungeheuerliches zu berichten.

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