Um 8.30 Uhr geht es in der Früh los, es ist mittlerweile der 18. März. Wir werden am Hotel Elen abgeholt und an den Hafen gebracht, wo die Überfahrt nach Gili Meno startet. Wir wollten ursprünglich nach Gili Trawangan, aber nachdem wir ein paar Leute getroffen haben, die uns erzählten, dass Gili Trawangan eine einzige grauenhafte Partyinsel ist und wir dort außer Drogen und partywütigen, unhöflichen Australiern nicht viel finden werden, haben wir uns entschlossen, auf die deutlich ruhigere Insel Gili Meno auszuweichen, die Gili Trawangan genau gegenüber liegt. Wie wir noch aus anderer Quelle erfahren werden, ist das eindeutig das bessere Los.
Am Hafen werden wir dann in einer Art Vorort abgesetzt, man sagt uns, der Transport gehe nur bis hierher, und wir sollten uns ein Auto oder ein Otek bis direkt an den Hafen mieten. Jaja, blabla. Wieder einmal ein beschämender Versuch, Touristen auf unverschämte Weise das Geld aus der Tasche zu ziehen. Wir beschweren uns nicht bei unserem „Reiseveranstalter“, dem Indonesier aus dem Hotel, der uns den Transport (bis eigentlich zum Hafen) organisiert hat, das ist verschwendete Liebesmüh. Stattdessen laufen wir los. Die Orte sind in der Regel recht klein, die Strecken lassen sich durchaus zu Fuß zurücklegen. Und auch hier ist es kein Problem, bis zum Hafen ist es nicht wirklich weit. Nun denn. Wir warten und sehen zu, wie unser Boot erst be– und schließlich überladen wird, dann gehen wir an Bord. Es ist eines der „Spinnenboote“, wie Julia und ich sie getauft haben, weil sie wie Spinnen aussehen, mit langen Beinen und einem schmalen Körper. Die Fahrt wird psychisch ein wenig ein Horror, denn uns gegenüber sitzt ein Mann, der ein lebendiges Huhn in einer Plastiktüte transportiert. Das arme Huhn schwankt zwischen Panikattacken und Zuständen geistiger Abwesenheit, manchmal macht es verzweifelte Gacker und versucht, aus seinem Tütengefängnis heraus vom Fleck zu kommen und kullert halb durch das Boot, bis der Mann wieder die Tüte packt und das Huhn unsanft zurück zwischen seine Füße stopft. Wir können gar nicht hinschauen.
Dann kommen wir an und werden schon am Strand der kleinen Insel mit „Room, romm, cheap, cheap“-Rufen genervt. Sehr lästig. Und schade. Kein schöner Empfang, leider. Wir stapfen missgelaunt los und versuchen, den Werbetreibenden zu entkommen; weg vom Schlag finden wir eine hässliche, aber freundliche Unterkunft und beschließen, erst einmal dort zu bleiben. Aber wir packen nicht richtig aus, sondern wollen zuerst die Insel nach einem schöneren Platz erkunden. Wir ziehen los, essen Mittags in Diana’s Place bergeweise das ortsgemäße Gemüse und Reis, es ist so schön dort, dass wir gar nicht wieder gehen wollen: kristallklares Wasser (ohne Müll) in allen möglichen blau– und türkis-Tönen, weiße und rote Korallen, Stille und Ruhe. Es war definitiv die richtige Entscheidung, hierher zu kommen. Wir laufen die Insel weiter ab und plötzlich kommen fünf kleine Babykatzen auf uns zugeschossen, maunzend und unglaublich verschmust. Die waren so süß! Und anhänglich, und so zutraulich. Die hatten vermutlich schlimmen Hunger. Die Katzenmama kommt auch dazu und rollt sich auf meinem Schoß ein… Ui…
Caro mit Katzenbabys
Abends werden wir von einem französischen, etwas sehr seltsamen Inselbewohner namens Ivo zum Essen in Diana’s Place eingeladen. Wir essen Pommes und moralisch böse Thunfischsteaks, die ich normalerweise nicht essen würde. Ich versuche, nie Thunfisch zu essen. Aber wir wurden eingeladen und hatten aus Gründen der Höflichkeit keine Wahl. Radikalen Tierschützern mag das als Ausrede vorkommen, aber versucht mal, einem indonesischen Gastgeber und Wirt, der nur radebrechend Englisch spricht, zu erklären, warum das keine persönliche Beleidigung, sondern für Westler eine umweltschützende Ansicht ist, diese in seinen Augen relativ teure Delikatesse zu verschmähen und enorm unhöflich zu sein. Eben.
Nachts schüttet es in Strömen, ich kann kaum schlafen. Die Moskitos sind böse, die Lautstärke einer nahen Hochzeit immens. Aber sie feiern, immerhin.
Am nächsten Morgen heißt es Aufstehen, eklig-fettigen, nicht durchgebratenen Pfannkuchen runterwürgen, packen, abstressen, da wir in einen Bungalow von Blue Coral umziehen.Wir suchen uns den zweitgeilsten dort aus, vorderste Reihe, fast direkt am Strand, Hängematte. Der Entspannungsurlaub kann losgehen.
Nachmittags sind wir zu dem verrückten Ivo zum Kaffee eingeladen, am Anfang verläuft die Konversation mit ihm ganz interessant, dass er ein bisschen ein crazy Typ ist, wussten wir ja schon vorher. Aber dann geraten wir uns ziemlich in die Haare. Er ist einer dieser wahnsinnig toleranten, intoleranten Alternativen, die es nicht ausstehen können, wenn man anderer Meinung ist oder ihnen widerspricht. Die alle Menschen lieben, wirklich alle, aber ziemlich viele hassen. Er hasst zum Beispiel Journalisten. Bänker. Kapitalisten. Ärzte, weil die lügen. Und so weiter. Und es gibt nur schwarz und weiß, kein grau, keine Schatten, keine Unwissenheit. Nur er kennt die Wahrheit, natürlich, unser „mind is full of shit“, wir haben keine Ahnung von nichts und müssen hier auf der Insel unseren Geist reinigen. Als ich einwerfe, dass das vielleicht alles nicht immer so einfach ist, wird er böse und schimpft und meint, er würde mich ja so gut kennen, als hätten wir seit meiner Geburt Kontakt, und er würde nicht mich hören beim Reden, sondern meine Mutter. Mit meiner Mutter, einer sehr freigeistigen Althippie-Mama, hätte er sich vermutlich besser verstanden. Alternativloser Hippiewahrheitsblödsinn. Wah. Ich war irgendwann ziemlich sauer. Weil ich erstens der Meinung bin, dass die Welt nicht so einfach ist, wie man es gerne hätte, und zweitens alles nicht ganz so böse und schlimm ist, wie manch einer denkt. Das mag jetzt ziemlich banal klingen, aber sagt das mal einem radikal-alternativen Freigeist mit einem Horizont, der nicht weiter als Anti-Bildzeitung reicht. Es gibt auch noch anderes Schlimmes auf der Welt, und Bänker und Journalisten sind nicht für alle Schandtaten im Universum verantwortlich. Womöglich sehr viele, aber nicht alle, nicht wahr.
Abends essen wir in dem Warung, der hinter dem Blue Coral mit unserem Bungalow liegt, ein Fehler, wie sich noch herausstellen wird. Wir lernen zwei deutsche Mädels kennen und einen ziemlich heißen, belgischen Tauchlehrer. Wir ratschen relativ lange mit ihnen, und der Tauchlehrer und ich lästern über Ivo… Innere Verbundenheit, quasi.
Der nächste Tag wird der Horror. In der Nacht wache ich auf und kann nicht mehr schlafen, weil sich irgendwie alles komisch anfühlt. Ich lese zwei Stunden, innerlich nervös, und schlafe dann noch ein wenig. Beim Frühstück in Anas Warung bringe ich nichts runter und dränge Julia dazu, zum Bungalow zurück zu gehen, zwischenzeitlich habe ich das Gefühl, den Rückweg nicht mehr zu schaffen. Dort lege ich mich ins Bett, kann aber weder schlafen, noch sonst irgendwas tun, sondern starre an die Decke und beobachte den Gecko in unserem Bungalow, der im Übrigen riesig ist. Bild siehe weiter unten.
Zum Mittagessen schaffe ich es kaum noch, aufzustehen, mir ist schlecht und schwindlig. Dann geht es los. Ich bin den Rest des Tages am Kotzen. Fieber, Schwindel und Sonstiges kommen dazu. Ich tippe auf das Mie Goreng Ayam Spezial vom Vorabend, da Julia und ich sonst immer das Gleiche gegessen haben. Und ihr geht es gut. Es kann nur das Huhn oder das Ei gewesen sein. Die Indonesier, die Julia um Rat bittet, sagen, ich solle Kokonuss essen und Kokosmilch trinken. Trockenes Toast und Ingwertee außerdem. Mir geht es so schlecht, ich würde am liebsten Sterben. Natürlich nur für ein paar Momente, aber es war echt der purer Horror. Vor allem, weil wir schon recht abseits vom Schlag waren und das nächste Krankenhaus zwei Stunden mit dem Schiff und vier Stunden mit dem Auto entfernt.
Und draußen scheint die Sonne, zum ersten Mal seit unserem Aufenthalt auf Lombok, so richtig, es ist heiß. Die Hausspinne Adelheid, die im Bad über dem Mülleimer wohnt, und ich freunden uns an. De Riesengecko klatscht in der Nacht auf unser Moskitonetz herunter. Patsch. Julia und ich zicken uns an. Allergeilster Tag seit langem.
Riesen-Gecko in unserem Bungalow
Am nächsten Morgen werde ich von Julia aus dem Bett gescheucht, weil ich zum Hafen gehen und entweder Cash abheben oder nach Gili Trawangan fahren soll. Ich habe keine Lust auf nervenaufreibende Diskussionen, warum gerade ich und so und stapfe los. Ich brauche eine Stunde zum Hafen, da ich einen Weg quer durch die Insel suche, um nicht außen herumlaufen zu müssen, und mich promt verlaufe. Im Hafen dann gibt es natürlich kein Cash, da die Telefonleitung nicht funktioniert. Und nach Gili Trawangan zu fahren, traue ich mir auch nicht zu, ob meines desolaten Zustandes. Wieder zurück am Bungalow ist Julia angeranzelt, weil ich kein Geld bekommen habe und nicht gleich losgefahren bin. Wir zicken uns an, ich schlafe, dann mache ich mich Nachmittags auf den Weg zum Hafen und nehme das Boot nach Gili Trawangan. Es regnet und windet auf der Überfahrt und ich werde klatschnass, erfahre, dass Kuta Lombok, wo wir als nächstes hinwollten, gefährlich ist und die Anbindung zum Flughafen aber hervorragend. Na denn. Auf Gili Trawangan angekommen, und nachdem ich dem Kapitän erklärt habe, dass er kurz warten soll und ich mit dem gleichen Boot zurückfahren will, laufe ich zum ersten ATM (Geldautomaten), den ich finden kann, und bekomme einen halben Herzinfarkt, weil ich kein Geld abheben kann. „Please contact your bank“, erscheint nur auf dem Display. Ich eile zum nächsten ATM und es geht nun doch, ich hebe 3 Millionen Rupien ab, so viel wie noch nie auf einen Schlag, (Was für eine Summe! Was für ein Geldbündel!), kaufe noch schnell ein paar Dinge ein, die uns ausgegangen sind, und mache mich auf den Weg zurück zum Boot. Die Rückfahrt verläuft deutlich entspannter als die Hinfahrt, kein Regen, wenig Wind. Abends gehen wir neben der Tauchschule (mit dem heißen Tauchlehrer…) essen und anschließend zum Bungalow zurück, wo wir erst einmal Kakerlaken jagen. Es hängen nämlich drei riesige, fette, schwarze, blank polierte Kakerlaken und drei kleinere, rotbraune, in unserem Moskitonetz, als wir zurückkommen. Igitt.
In der Früh bin ich um sechs Uhr hellwach und schaue mit von unserer Hängematte aus den Sonnenaufgang an. Beim Frühstücken im Yaya-Warung, der uns von den Blue-Coral-Jungs empfohlen wurde, beobachten Julia und ich Indonesier-Schnittchen und lästern über deutsche Männer, die ihre Zeit mit Fernsehen, Fußballl schauen, Bier trinken und fett werden (sorry, natürlich stimmt das nicht in Reinform) verbringen, während die Männer auf Gili Meno alle braun gebrannt und durchtrainiert sind, keinen Alkohol trinken und nicht fernsehen, und stattdessen Bungalows bauen, Fische fangen, tauchen und Gitarre spielen. So siehts aus. Und die sind alle so nett, und keiner ist am schimpfen oder meckern, und alle versuchen, es uns recht zu machen. Prinzessin sein und auf Händen getragen werden, darauf steht Frau. Es wird Zeit, dass wir mal wieder aus unserer Mädchenblase gerissen werden. Und wie es der Zufall will, taucht bald ein Rudel Jungs auf. Dazu später.
Zurück am Blue Coral gehe ich tauchen, und als ich zurückkomme und mich der Besitzer der Bungalows fragt, ob ich die Schildkröten gesehen habe, und ich dies verneine, geht er nochmals zusammen mit mir tauchen. Er zeigt mir riesige, wunderschöne Schildkröten, die keine Angst haben und sich sogar anfassen und unter dem Kinn kraulen lassen. Zumindest bei ihm. Bei mir verziehen sie sich nach einer Weile, als es ihnen zu doof wird, in die Tiefe.
Anscheindend habe ich mich beim Tauchen nicht schlecht angestellt, denn später fragen mich die Blue-Coral-Jungs, ob ich mit ihnen Fisch jagen gehen will, im Riff. Mit Harpunen. Sehr männlich…
Ich komme mit und es wird eine sehr interessante Erfahrung. Wir laufen zuerst ein Stück aufwärts der Strömung und lassen uns dann im Wasser mit der Strömung am Strand entlang wieder zurücktreiben, während wir das Riff nach essbaren Fischen durchforsten. Ich bekomme natürlich keine Harpune, meine Aufgabe ist es, die Fische, die wir verfolgen, im Auge zu behalten, wenn die Jäger zum Luft holen auftauchen. Das Riff ist fantastisch schön, aber das Jagen mit den Harpunen ein wenig grausam, denn die Fische werden seitlich getroffenund zappeln wie wild am Widerhaken, bis sie zerfetzt genug sind und sterben. Manche sterben ziemlich lange ziemlich qualvoll vorsich hin und es tut mehr Leid, irgendwie würde ich sie gerne kurz und schmerzlos ganz umbringen, aber erklärt das mal mit sprachlichen Barrieren einem Indonesier, der nicht so viel für Tierliebe übrig hat.
Ich breche irgendwann ab und schwimme zurück, weil das Wasser in der Strömung recht kalt ist. Abends essen wir in Anas Warung einen der Fische, die wir gefangen haben, es wird eine nicht besonders gut schmeckende und teure Angelegenheit. Aber wir machen Bekanntschaft mit dem Australier Paul, der mit uns Musik macht und Palmwein trinkt und auf Gili Meno Low-Budget-Unterkünfte gebaut hat. Mit Toilette und Dusche mit Süßwasser, die sich biologisch selbst reinigt. Sehr vorbildlich. Wir haben im Bungalow im Übrigen kein Süßwasser zur Verfügung, sondern leicht entsalztes Meerwasser.
Erst um zwei Uhr kommen wir ins Bett. Und zum Frühstücken erst am nächsten Vormittag um halb zwölf, so lange trödeln wir herum. Und dann treffen wir, zurück am Blue Coral, drei Jungs aus Deutschland (Würzburg, meine Lieben, Würzburg), mit denen wir uns unterhalten und Inselklatsch austauschen. Sie berichten uns zudem von Gili Trawangan und dem Horror dort, von Lärm und zu viel stressiger Party und dass man an jeder Ecke Magic Mushroms angedreht bekommt und sie darauf nicht so stehen würden. Sie wollen am nächsten Tag ins Blue Coral einziehen, na das kann ja heiter werden. Und Schreck Nummer zwei tritt ein, als Ivo ebenfalls ins Blue Coral übersiedelt. Langsam aber sicher werden wir eine ziemlich große und ziemlich abgefahrene Blue-Coral-Familie…
Dieser Eindruck verstärkt sich, als ich mit Jack wieder fischen gehe, dieses Mal alleine. Sehr gefährlich, aber das wird mir erst später klar. Denn am nächsten Tag wird er mir gestehen, dass er sehr verliebt in mich ist und mich gerne heiraten würde. Und sein bester Freund Harry verliebt sich (auch sehr) in Julia und will diese ebenfalls heiraten. Weil wir viel hübscher wären als indonesische Mädchen. Über die wir im ziemlich viel lernen: Die sind nämlich sehr materialistisch orientiert. So erzählen die Jungs, dass sie keine Chance bei ihnen hätten, wenn sie keinen Roller oder ein Auto haben. Das geht so weit, dass sich manche indonesischen Jungs einen Roller leihen und damit zur Schule fahren. Dann sind sie auf einen Schlag ziemlich angesagt bei den jungen Damen und können sich vor Verehrerinnen nicht retten. Allerdings ist die Freude nur von kurzer Dauer, denn die Indonesierinnen, wie Harry erzählt, sind sehr untreu und unstet. So hat er einer, die er toll fand, und sie ihn anscheinend auch, eine Perlenkette geschenkt. Und sie hat die Kette dann verkauft, kurze Zeit später. Außerdem hat er seiner Herzdame Geld gegeben, und sie ist damit durchgebrannt. Und das im Alter von 18.
Wir sitzen abends lange mit ihnen zusammen auf der Veranda unseres Bungalows, was ebenfalls ein Fehler ist. Harry wird drei Wochen nach unserer Abreise sehr überraschend heiraten. Wohl eher verheiratet werden. In Indonesien, vor allem den konservativ-muslimischen Familien werden Jugendliche, die nach zehn Uhr noch mit dem anderen Geschlecht Kontakt haben, selbst wenn es nur ganz harmlos Essen gehen oder auf der Veranda, für jedermann beobachtbar, Ratschen ist, vorsorglich verheiratet. Der arme Kleine. Unglaublich verliebt in Julia, will ihr den Himmel zu Füßen legen, und dann, zack bumm, verheiratet. Was da wohl abgelaufen ist, mag ich mir nicht vorstellen. Ich hoffe nur, das wir daran keine zu große Mitschuld haben.
Am nächsten Tag ziehen die Würzburger bei uns im Blue Coral ein, ab da wird es lustig. Aber darüber ein anderes Mal.