Um sechs Uhr in der Früh heißt es raus aus den Federn, denn bereits um sieben Uhr fahren wir los, in die Berge in Zentraljava. Bisher waren wir in Westjava. Und wir bekommen nicht mal unser leckeres Banan-Pancake-Frühstück, sondern nur Toast.
Wir reisen dekadent mit eigenem Auto, Guide und Fahrer. Das war eigentlich keine Absicht von Julia und mir, eigentlich wäre es uns etwas spartanischer lieber gewesen, aber das beruht auf einem seltsamen Missverständnis. Wir sind uns immer noch nicht ganz sicher, ob wir da komplett abgezogen wurden oder nicht. Zumindest war der Trip ziemlich teuer, ob der Preis gerechtfertigt ist, darüber zerbrechen wir uns seitdem den Kopf. Dass wir das überhaupt gemacht haben, kam so: Der Guide, mit dem wir auch den Jungletreck und den Trip in den Green Canyon gemacht haben, der auch sehr zuverlässig war und die Trips wirklich schön und sich gelohnt haben, erzählte uns von einer Drei-Tages-Tour mit zwei Übernachtungen, in die Berge bis nach Yogyakarta. Für 500.000 pro Person. Wir dachten darüber nach, fanden das günstig (das sind umgerechnet nicht mal 50 Euro pro Person) und für einen Minibus mit zwei Übernachtungen auch realistisch. Aber in der Nacht vor der Abreise meinte der Guide, als es ans Rechnung bezahlen ging – ne, ne, das sind 500 pro Person pro Tag. Wir haben erst mal ziemlich geschluckt und ihn dann vorrechnen lassen, wie er auf diese Kalkulation kommt. Dann haben wir ihn noch um 500.00 runtergehandelt, aber er meinte, dann müssten wir die teuren Eintritte in Prambanan und Borobudur selbst bezahlen. Pfff. Irgendwie wollten wir da nicht mehr absagen und wollten den Trip eigentlich auch machen. Ich denke auch, dass der Preis zwar teuer, aber einigermaßen gerechtfertigt ist. Ein komisches Gefühl, ob das Absicht von ihm war, uns im Glauben zu lassen, das würde 500.000 pro Person und nicht pro Tag pro Person kosten, bleibt trotzdem. Zumindest seine Preiskalkulation erwies sich als realistisch.
Der erste Teil der Autofahrt war eine ziemliche Katastrophe. Die Straßen in der Provinz in Westjava sind in sehr schlechtem Zustand, wir waren müde, doch an Schlaf war aufgrund des Gerumpels des Autos nicht zu denken.
Unser Fahrer Jejem und der Guide Sambas rauchen Kette, haben dabei das Fenster neben ihnen offen, was aber nichts nützt, der Qualm zieht trotzdem zu uns hinter. Außerdem ist es durch die offenen Fenster sehr laut im Auto, da der Verkehrslärm hineindringt, und die Luft schlecht, auch dadurch, dass der Autodreck und Ruß ins Auto kommt. Aber so etwas einem Indonesier verständlich zu machen, auch wegen Feinstaub– und Schadstoffbelastung, ist völlig lächerlich, die lachen einen nur aus. Das ist wahrscheinlich wie in Deutschland in den 60ern, als die Tabakindustrie verbreitet hat, Rauchen wäre überhaupt gar gar nie niemals schädlich und würde auch gar nie Krebs verursachen.
Jejem ist zudem ein Discoelectropop-Liebhaber und wir kommen in den Genuss seiner Musik. Besonders lustig ist, dass Jejem mit den Fingern, die Handballen auf dem Lenkrad, zum Takt der Musik tanzt. Wir haben unseren Fahrer nicht nur deswegen bald ins Herz geschlossen, sondern auch wegen seines Fahrstils. Jejem hupt prinzipiell immer, wenn wir um eine Kurve fahren, um andere zu warnen; wenn wir überholen, um andere zu warnen; wenn der Vordermann zu langsam ist, wenn ein Motorradfahrer zur Seite fahren soll; auch einfach mal so, wenn ihm gerade danach ist. Das sind immer so kurze, laute, anstupsend-freundliche Huper, es gibt aber auch lange, durchdringende, wütende Huper, wenn man zum Beispiel an einer grünen Ampel steht (was in Java eh schon eine Besonderheit ist, Ampeln gibt’s da eigentlich nicht, und wenn, dann sind sie rot um man beachtet das sowieso nicht; Verkehrsregeln sind hier eher so „Richtlinien“) und nicht fahren kann.
Jejem überholt prinzipiell alles und jeden, und wenn ihm dabei mal ein Fahrzeug entgegen kommt, dann hupt er laut und zieht kurz vor einem Zusammenstoß zwischen zwei Autos in deren Lücken. Nach dem Motto, sollen sie doch selber schauen, wie sie bremsen.
Jaja, unser Jejem. Der war schon ziemlich cool. Mit verspiegelter Sonnenbrille hilft er zwei blonden Westlerinnen aus dem Auto, welches so abgetönte Scheiben hat, dass man nicht mehr ins Wageninnere sehen kann.
Nach fünf Stunden und einem Besuch in einer Ziegelei mit traditioneller, harter Arbeitsweise und einem Verdienst von 500.000 Rupien pro Monat kommen wir auf dem Dieng-Plateau an, mitten in den Bergen, auf über 2500 Metern über dem Meeresspiegel.
Dort besichtigen wir als erstes die „Seven Falls“, sieben heiße Quellen, die aus dem Vulkan kommen und mit Mineralien derart angereichert sind, dass sich orangefarbene Ablagerungen bilden, auf denen dunkelgrüne Algen wachsen. Sehr hübsch:
Und hier noch einmal in groß:
Man kann dort auch duschen…
Die Natur dort ist ebenfalls bezaubernd:
Den Abend verbringen wir in Baturraden, in einem Hotel mit heißem (ok lauwarmen) Wasser. Juchu! Und wir essen in einem schönen Restaurant; dass das Essen dort angenehm bezahlbar ist, macht den Abend noch schöner.
Am nächsten Tag sollten wir uns eigentlich um fünf treffen, um auf das Plateau zurück zu fahren und den Sonnenaufgang zu sehen. Aber unser Guide und Jejem verschlafen… Ich wecke sie auf, nachdem ich den Nachtportier rausgeklingelt habe, weil Juliaund ich natürlich keine Ahnung hatten, in welchem Zimmer die beiden schlafen. Mit einer Mischung aus verschlafen, schockiert und zu Tode erschreckt haspeln sie schnell, dass sie gleich kommen, während Julia und ich ziemlich schlecht gelaunt im Hof vor dem Auto warten. Es beginnt bereits zu dämmern. Wir schaffen es dann doch noch rechtzeitig. Während Sambas versucht, Julia einzulullen und durch lustige Gespräch wieder für schön Wetter zu sorgen, kucke ich genervt Sonnenaufgang und bin mit Absicht extrabeleidigt. Dafür lädt er uns dann zum Frühstücken ein und lässt uns mit Tee und Tempe versorgen. Und ist den ganzen restlichen Tag über (scheiß-)freundlich. Grinsgrins. Entschuldigt haben sich weder er, noch Jejem. Der Indonesier entschuldigt sich nicht. Er tut so, als wäre nichts. Nun denn.
Es geht weiter in das Landesinnere, wir besichtigen den Arjuna-Tempel, den ältesten Hindutempel auf Java, von dem allerdings bis auf die Grundmauern nicht mehr viel übrig ist. Vulkanausbrüche, Menschen, die Steine aus Ruinen und Tempeltrümmer zum Häuserbau verwenden, und der Zahn der Zeit sind Schuld daran.
Das interessante an der Gegend ist, dass der Vizepräsident dort sein Ferienhaus hat, und deswegen die Straße in hervorragendem Zustand ist.
Dann geht es weiter hinauf zu einem Krater, unterhalb eines Vulkans, aus dem kochend heißer Wasserdampf kommt, angereichert mit Schwefel. Es stinkt demnach im ganzen Tal, außerdem wird man gewarnt, sich nicht zu lange dort aufzuhalten und nicht zu nahe an den Krater zu gehen. Zum einen, weil man sich am Dampf leicht verbrühen kann, zum anderen, weil aufgrund der Wasserzirkulation der Boden ausgehöhlt wird und wegbrechen kann. Der Krater wird somit immer größer. Alle paar Wochen versetzen sie den Absperrzaun, das ist schon sehr eindrucksvoll, wie schnell das geht.
Kleine Miniquelllen glucksen und blubbern um den Krater herum und lassen ahnen, was da in dem Vulkan so alles brodelt…
Die Landschaft darum sieht recht verwüstet aus, ein bisschen so stelle ich mir die Mondoberfläche vor:
Allerdings findet man durch den Schwefel auch schöne Farbzeichnungen auf dem Boden:
Das Wasser, das aus dem Krater und den anderen Quellen den Berg herunterläuft, sammelt sich in dem sogenannten „Bunten See“; durch verschieden gefärbten Schlamm aufgrund unterschiedlicher Mineralien, Temperatur– und Lichteinfluss sieht der See tatsächlich bunt aus. Auf dem Bild erkennet man das leider nicht so gut:
Und jetzt beginnt unsere Odyssee durch Zentraljava. Erst verlassen wir das Gebirge auf einer hohen Passstraße, hier ein paar Bilder des imposanten Blickes, der sich uns bot:
Unser Roadtrip führt uns kreuz und quer durch Java, da einige Straßen zwecks Renovierung gesperrt sind. Zwischendurch haben wir das Gefühl, dass weder Jejem, noch Sambas so genau wissen, wo es denn hingehen soll. Abenteuer-Endzeitstimmung kommt auf.
Irgendwann abends, es ist schon lange dunkel, kommen wir in einem Hotel an, das in der Nähe von Borobudur liegt. Es sieht von außen sehr schön aus, aber unser Zimmer ist komplett versifft, Julias Laken und Handtuch dreckig und fleckig. Das Essen ist teuer und schlecht, ich esse das schlimmste Chickensandwich, das ich jemals hatte. Ungetoastetes Toastbrot, unidentifizierbares rosa Gemansche, das wohl Hühnchen sein soll, ertränkt in Mayonnaise.
Wir gehen sauer in unser Zimmer und werden das Gefühl nicht los, dass Sambas uns mit dem Preis abzieht.
Am nächsten Morgen gibt es aufgrund des ekligen Bades nur eine Katzenwäsche, ich will da drin gar nicht mehr anfassen, als zwingend nötig. Igittigitt. Und nach drei Wochen Java sind wir wirklich nicht mehr zimperlich.
Dann weiter zum Borobudur-Tempel, dem größten, schönsten und allertollsten buddhistischen Tempel auf Java. Der Eintrittspreis ist mit seinen 8 Dollar stattlich, aber man bekommt auch viel dafür: Zum einen ist alles sehr gut organisiert, sehr gut, zum anderen ist der Service hervorragend: Saubere Toiletten, gepflegte Anlagen, Wasser, Tee und Kaffee gratis für die Besucher. Der Guide, den wir für Borobudur bekommen, ist sehr kompetent und nett. Er beginnt mit einer Einführung in den Buddhismus und erklärt uns allgemeines, darauf zeigt er uns die schönste Stelle, um Bilder vom Tempel zu machen. Er erklärt und die Fauna und Flora um den Tempel und seine Lage, umringt von sieben Bergen bis zum Meer, in Vogelperspektive liegt der Tempel wie eine Lotusblüte. Er erzählt uns viele Geschichten von und über den Tempel und zeigt uns die beeindruckende Anlage. Es ist wirklich sehenswert. Nur ziemlich heiß, wirklich sehr heiß. Außerdem werden wir ständig angesprochen, ob man ein Foto von/mit uns machen darf, und wenn man damit einmal anfängt, kommen alle anderen auch angelaufen, das dauert und ist nervenaufreibend. Aber Julia und ich reißen uns zusammen, denn schließlich sind die Indonesier alle ebenfalls sehr nett und zuvorkommend zu uns gewesen.
Hier seht ihr den Borobudur-Tempel ganz:
Caro mit Löwe und Saroong, den man sich zur Besichtigung des Tempels umbinden muss:
Nach einem Besuch in einer Silberfabrik, in der Glitzer-Caro natürlich zuschlagen muss (das Urlaubsbudget schmilzt und schmilzt, aber immerhin, Silber ist ja auch eine solide Geldanlage, nicht wahr), gibt es lecker Essen, danach geht es weiter. Die Silberfabrik hat sogar einen Online-Shop… Sehr gefährlich.
Wir fahren quer durch Yogyakarta, es ist heiß, dreckig und laut, eine einzige Tortur. Jejem hat schlechte Laune und fährt wie ein Irrer, es dauert alles und zieht sich, wir stehen im Stau und kommen entnervt am Prambanan-Tempel an, dem Hindutempel. Der ist auch ziemlic schön, allerdings steht von dem auch nicht mehr viel, aus den gleichen Gründen wie beim Arjuna Tempel. Aber immerhin, der Hauptkomplex ist noch einigermaßen erhalten. Unser Guide ist allerdings ein bisschen seltsam, textet uns verworren und unsystematisch und in komischem Deutsch zu, obwohl wir hin mehrmals angeboten haben, Englisch zu sprechen. Nun denn, schade. Nach einer weitschweifenden Einführung in die sprituelle Erziehung im Hinduismus, die ebenfalls ziemlich unstrukturiert ist, muss er zurück und lässt uns alleine auf dem Tempelgelände stehen. Julia und mich stört das zwar nicht besonders, aber Sambas ist stocksauer und meint, er vertraut den Guides hier vor Ort nicht mehr und schimpft vor sich hin.
Nach einem Abstecher in eine Batikfabrik, die schon ziemlich leer ist, weil wir so spät dran sind, suchen wir ein Hotel. Aber immerhin die Herstellung von Batik haben wir verstanden: Man färbt die Seide, und der Teil, der keine Farbe abbekommen soll, wird vorher mit Wachs abgedeckt. Nach jedem Färben wird das Wachs in heißem Wasser wieder herausgelöst. So entstehen Muster, Zeichnungen und Bilder. Und richtige Batik färbt somit auch nicht aus.
Wir finden ein hübsches, nettes Hotel, in dem wir uns auf Anhieb wohlfühlen. Wir verbringen noch zwei weitere Tag in Yogyakarta, an denen wir uns ein wenig erholen und wieder reisetauglich machen – Bergeweise Wäsche waschen, Einkaufen, Yogya anschauen, spazieren gehen und zur Ruhe kommen. Und überlegen, wo es als nächstes hingehen soll.
Abschließend noch ein Bild von einem lachenden Löwen aus Prambanan. Der hat deswegen so gute Laune, weil er gerade gegessen hat, hat uns der Guide erklärt.