Pangandaran

Die Tage in Pangandaran werden ziemlich entspannt. Den ersten Tag verbringen wir am Meer, das allerdings nicht besonders schön ist. Überall liegt Müll herum, bergeweise Plastik schwimmt im Meer, da vergeht es einem, Schwimmen zu gehen. Außerdem ist an den meisten Stellen die Strömung zu stark. Obwohl Pangandaran unter der Woche ein menschenleeres Kaff ist, kann man nicht ungestört am Strand entlang laufen. Es sind natürlich Welten Unterschiede zu Bali, aber auch hier wird man alle paar Minuten angesprochen, ob man nicht einen Snorkling Trip machen will oder zum Waterfall fahren möchte. Sie sagen „waterfull“, lustig.

Am Abend ist der Strand vollgestellt mit Booten, man hat manchmal Schwierigkeiten, durchzukommen. Doch ein paar kleine Paradiese haben wir entdeckt. Der Nationalpark ist nicht unbedingt sehenswert aus der Fauna-und Floraperspektive; es gibt dort Rehe, die einen relativ nah an sich heranlassen, bis auf eineinhalb Meter. Und ein paar schöne Höhlen, Tropfsteinhöhlen, die noch am Anfang ihrer Entstehung sind, das ist sehr interessant zu beobachten. In den Höhlen leben hunderte von Fledermäusen, auch teilweise ziemlich große. Es gibt dort die „Flying Foxes“, auf Deutsch nennt man die glaube ich Flughunde, die werden bis zu einem Meter Flügelspannweite lang. Die fliegen aber nur in der späten Dämmerung. Und die werden gefangen, am Strand von jungen Männern mit einer Art Lenkdrachen. Die Tiere verheddern sich darin, dann werden sie gegessen. Wenn man das Herz eines Flying Foxes ist, verleiht das große Kraft, erklärt mir ein Einheimischer. Von Natur– und Tierschutz halten die Indonesier ja allgemein nicht viel.

Im Nationalpark gibt es außerdem noch kleine Stachelschweine (mit Nachwuchs! Süß!) und Affen. Und die sind richtige Biester. Wahnsinn. Die kucken in alles rein und klauen, was nicht niet– und nagelfest ist.

Wir haben einen wunderschönen Strand entdeckt, im Nationalpark, einsam und verlassen, weißer Strand, türkises Wasser, Urwald drum herum. Der Urwald war das Problem.
Wir hatten uns nämlich gerade nach dem Schwimmen in den Schatten unter einen Baum gelegt, als plötzlich ein Affe angelatscht kommt, einen Meter groß und seelenruhig. Zielstrebig steuert er auf meinen Rucksack zu. Zuerst klaut er aus der Außentasche Taschentücher und beißt hinein, dann wirft er sie in hohem Bogen von sich, war anscheinend nichts passendes für ihn drin. Dann macht er meinen Rucksack auf und stöbert ein bisschen darin herum, bis er sich mein Mittagessen herausfischt, eine riesige Apfelbirne. Als ich versucht habe, ihn zu vertreiben, mich aufrichte und Lärm mache, richtet er sich auch auf und fletscht die Zähne. Da ist mir ein bisschen anders geworden, denn der Affe ist sehr aggressiv geworden und sah so aus, als würde er gleich auf Julia und mich losgehen. Sprungbereit und mit gefletschten Zähnen starrt er uns böse an. Wir weichen respektvoll zurück, und Julia flippt aus. Affenbisse sind das letzte, was in einem Nationalpark am Rand des Nirgendwo Spaß machen. Wir packen unsere Sachen zusammen und flüchten.
Eine halbe Stunde später an einem anderen Strand im Nationalpark, lernen wir, mit den Affen umzugehen. Denn dieser Strand ist voller Affen. Dutzende Horden sitzen am Strand, stöbern in den Rucksäcken und Taschen der Besucher, heben Strandmatten und Handtücher hoch und schauen darunter. Wenn einer was gefunden hat, geht das Gekreische los und sie jagen sich quer über den Strand. Nette Tiere, doch, ganz nett.
Wir lernen, die Rucksäcke an dünnen Schnüren in die Bäume zu hängen, dann haben sie mehr Mühe, dranzukommen. Und dass man nichts essbares dabei haben sollte, und dass die Affen in der Regel die Sachen nicht zu weit verschleppen. Und dass sie Abstand zu den Menschen halten, allerdings nur einen Meter. Wenn man näher kommt, rennen sie weg, meistens. Außer man erwischt einen aggressiven. Und das Problem ist, dass viele der Affen aggressiv sind, weil sie von den Besuchern gefüttert werden. Und wenn sie nichts bekommen, werden sie böse. Um die neue Nicht-Füttern-Policy durchsetzen zu können (es ist ja auch nicht sehr sinnvoll, wenn die Affen sich das vorenthaltene Essen einfach klauen), stehen am Strand Aufpasser mit langen Stöcken, die die Affen vertreiben, wenn sie zu aufdringlich werden.

Ein fantastisches Beispiel, dass man Wildtiere nicht füttern sollte, niemals. Nun gut. Der Strand wäre paradiesisch gewesen, wenn nicht die Affen gewesen wären. Und eine Sache ist noch erwähnenswert: Die Strände sind auch deswegen so weiß, weil man auf toten Korallenstücken läuft. Zentimeterhohe Schichten von Korallenstücken liegen an den Stränden. Der Tsunami, der 2006 in Pangandaran gewütet hat, hat die Riffe vor der Küste völlig zerstört. Eigentlich wurde der Nationalpark wegen den wunderbaren Riffen und zu ihrem Schutz gegründet, jetzt ist alles platter, weißer Sand im Wasser, die Riffe unwiederbringlich vernichtet. Die Einheimischen erzählen wehmütig davon, wie klar das Wasser war, und wie schon im seichten Wasser die ersten kleinen, bunten Riffe mit Tausenden von Fischen zu erkennen waren, ohne Riffe keine Fische, das bekommen die Fischer gerade schmerzlich zu spüren. Man versucht, das wieder aufzubauen und ein neues Riff anzulegen, aber das dauert hunderte Jahre. Und wer weiß, vielleicht haben die Leute vor Ort andere Probleme, als ein langweiliges, sich in der Entstehung befindendes Riff zu schützen, dann waren alle Bemühungen umsonst.

Zum Thema Tsunami lässt sich noch ergänzen, dass man in Pangandaran noch überall die Folgen des Tsunamis sehen kann. Häuserruinen, kaputte Straßen, halbfertige Neubauten, leere Grundstücke, deren Besitzer die Gegend verlassen haben. Die Bevölkerung hat sich seit dem Tsunami halbiert, aber nicht, weil so viele gestorben sind, sondern weil viele weggezogen sind. Warnschilder, in welche Richtung man laufen soll, wenn die Welle kommt, stehen überall, auch im Nationalpark. Die Welle ging bis zu einem Kilometer weit ins Landesinnere. Das ist schwer, sich das vorzustellen. Man fährt irgendwo herum und sieht die Häuserruinen und denkt, man ist meilenweit von der Küste entfernt.
Und der riesige Friedhof. 700 Menschen sind damals gestorben. Der Besitzer des Hotels, in dem wir waren, hat Geschichten erzählt von Plünderungen nach der Welle, von leergeklauten Häusern und der korrupten Armee, die selbst die Häuser ausgeräumt hat und die Bewohner nicht mehr ins Dorf ließ. Unser Guide, mit dem wir eine Tour durch den Green Canyon gemacht haben, konnte erst nach Tagen zu seinem Haus und nach seinen Angehörigen suchen, weil die Armee ihn nicht durch ließ.

Aber die Leute sind alle fröhlich und guten Mutes, schließlich kommt ein Tsunami nur alle 60 bis 100 Jahre, da haben sie jetzt erst mal Ruhe davor. So zumindest sieht man das.
Wir haben uns sehr wohl gefühlt in Pangandaran, es war ruhig und der Nationalpark an manchen Stellen ein kleines Paradies. Beispielsweise haben wir eine Tour quer durch den Dschungel gemacht, haben den Vulkan dort bestiegen und sind dann das Bachbett hinabgeklettert, bis kurz vor einen mächtigen Wasserfall. Dort bildet der Fluss kleine, sehr tiefe Pools, in denen man Schwimmen kann, in die man sogar hineinspringen kann, da sie so tief sind. Durch das Vulkangestein hat das Wasser eine weiße, milchige Farbe. Und direkt vor einem Wasserfall zu schwimmen, mit einem fantastischen Blick auf das Meer, hat einen ziemlichen Charme.

Sehr reizvoll war auch die Tour durch den zweiten Nationalpark in der Nähe, einen Flusslauf entlang durch den „Green Canyon“, der zu seinem Namen durch die Farbe des Wassers gekommen ist. Erst fährt man zwei Stunden auf einem Roller dorthin, durch Wald und Reisfelder, sehr hübsche Landschaft. Dann fährt man mit einem kleinen Boot den Fluss hinauf. Wir haben Anacondas gesehen, die im Wasser schwimmen, einen zwei Meter langen Waran, bunte Vögel und Schmetterlinge. Riesige Tausendfüßler, zwei Handflächen groß.
Irgendwann kann das Boot nicht mehr weiter fahren, dann heißt es schwimmen. Durch den Canyon, teilweise dringt nur spärlich das Sonnenlicht hindurch. Man fühlt sich wie in einer übergroßen Tropfsteinhöhle, während man sich entgegen der Strömung die Felsen hinaufkämpft. Aber das Wasser ist zur Abwechslung angenehm kühl.
Nach einer Weile erreicht man einen Stelle, von der aus man auf einen Felsen klettern und fünf Meter in die Tiefe springen kann. Adrenalin pur. Ich habe dabei einen Ohrring verloren… Buhu… Aber was trage ich auch Ohrringe bei so einer Tour.
Weiter den Canyon entlang, schwimmen, tauchen, Felsen klettern, am Abend danach waren wir völlig fertig. Aber der Canyon ist unglaublich schön, sehr eindrucksvoll. Ein tolles Erlebnis.

Danach geht es in ein kleines Fischerdorf namens Batukaras, idyllisch gelegen und verschlafen. Julia hat es dort vor allem auch wegen den vielen Surfern gefallen. Wir wären beide gerne länger dort geblieben, der Strand ist schöner und ruhiger als in Pangandaran, das Dorf ruhig und kaum touristisch, es gibt dort lecker Gambas..
Dann fängt es an zu Regnen, und, Regenzeit-typisch, es schüttet„ als wäre der Himmel aufgerissen worden. Nachdem es drei Stunden lang nicht aufhört, müssen wir irgendwann durch den Regen mit Motorrädern zurückfahren. Ich bin nach etwa zwanzig Sekunden klatschnass, der Regen prasselt uns ins Gesicht und ich friere zum ersten Mal in Indonesien. Zwei Stunden hat der Rückweg gedauert, es war eine Tortur. Danach waren Julia und ich durchgefroren und haben uns das wärmste angezogen, was wir hatten und sind gleich ins Bett gegangen. Aber ich bin nicht krank geworden, immerhin.

Am 4. März verlassen wir Pangandaran wieder, um einen Trip in die Berge zu machen. Der war lustig, davon erzähle ich ein anderes Mal.

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