An unserem letzten Abend in Bogor hat Rochim Gäste eingeladen, einen seiner Brüder mit seiner Frau und zwei seiner Nichten. Eine der Nichten, Oktariza, studiert in Wien das gleiche wie ich und spricht sehr gut Deutsch, wir unterhalten uns fantastisch mit ihr.
Endlich können wir jemanden mit unseren Fragen über Indonesier bombardieren, der uns das nicht übel nimmt. Sie findet es glaube ich sogar ziemlich lustig, jedenfalls lacht sie über jede Frage. Und sie meint, dass alles nicht so schlimm ist, selbst wenn wir einen Fehler machen, denn den Indonesiern ist bewusst, dass bei uns in Deutschland manches anders läuft und nehmen es uns nicht übel, wenn wir uns für ihre Maßstäbe falsch verhalten. Ein paar Mitglieder der Familie waren sogar schon einmal in Deutschland.
Es wird ein lustiger Abend, es gibt wieder gutes Essen, die Kinder toben herum und wollen nicht ins Bett, wie deutsche Kinder auch, die Stimmung ist etwas gelöster und gut.
Am nächsten Morgen fahren wir mit dem Bus nach Bandung. Rochim bringt uns mit einem Auto und Fahrer, das Oktariza gemietet hat, zu dem Busbahnhof. Bahnhof ist zu viel gesagt, ein größerer Platz zwischen Bretterbuden, nicht betonniert. Wir steigen in den Bus, und das erste, was uns auffällt, ist neben der Klimaanlage der Fernseher, der vorne im Bus hängt, und ziemlich laut vor sich hin quäkt. In Indonesien hängen überall diese nervenden Fernsehbildschirme, im Kaufhaus, im Café, im Restaurant, im Bus, in Hotellobbies. Meist ist der Ton viel zu laut, das Bild schlecht und verrauscht, und alle fünf Minuten kommt Werbung.
Glücklicherweise ist der Empfang des Geräts, als wir Bogor verlassen, bald so schlecht, dass der Fahrer den Fernseher von alleine ausschaltet.
Die Fahrt nach Bandung geht durch grüne Täler und immer bergigeres Gelände. Felsen sieht man auf Java allerdings nicht, jeder Zentimeter ist mit Pflanzen und Farnen bewachsen. Die Fahrt verläuft zudem relativ entspannt, der Bus ist neu und gut gefedert, man kann sich unterhalten und sogar einigermaßen Musik hören.
Kurz vor Bandung bekommen wir von Herry, bei dem wir in Bandung bleiben werden, eine SMS, dass viel Stau ist und wir vorher aussteigen sollen. Wir versuchen das, dem Fahrer klar zu machen, es klappt nicht; Herry ruft an und spricht übers Telefon mit dem Assisstant Driver, der versteht nun, was wir möchten. Allerdings lacht jetzt auch der ganze Bus über uns. Es ist ziemlich lustig, wie sie anschließend uns und unser Gepäck aus dem Bus hieven, lachen und fröhlich winken. Die sind immer gut gelaunt hier.
Herry und seine Frau Henni holen uns mit dem Auto ab, sie haben im Gegensatz zu Rochim, der noch auf eines spart, ein eigenes.
Und was für eines. Einen schwarzen, großen Geländewagen von Honda, mit nachtschwarz verdunkelten Scheiben und Allradantrieb. „Its a very special car in Indonesia, there are not much more“, erklärt Herry stolz. Wir fahren los, in eine neue Siedlung, eine Art neue Stadt, die am Reißbrett geplant wurde und seitdem nach und nach gebaut wird. Kurz vor ihrem „Cluster“, so nennt man eines der Viertel, die jeweils umzäunt und von Securities gewacht sind, halten wir kurz an und Essen eine Kleinigkeit zu Mittag. Traditionelles Essen aus Java, ich teste mich vorsichtig durch, sehr vorsichtig. Der Nachtisch ist sehr lecker, gegrillte Bananen und ein süßer Reiskuchen mit bergeweise Käse obendrauf. Das scheint man hier zu mögen, die Kombination aus süß und sauer.
Danach geht es in das „Cluster“, und wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Beim Passieren der Securities müssen wir alle Scheiben des Autos herunterlassen, damit man sieht, wer alles im Auto sitzt. Dann wird eine Karte von Herry und seine Autonummer gescannt, erst dann dürfen wir hinein.
Wir fahren durch eine kleine Siedlung, die wie eine amerikanische Vorstadtsiedlung aussieht, kleine, süße Häuschen mit Balkonen und Erkern und Säulen. Hier ein Beispiel für euch:
Die Straßen sind sehr sauber und gepflegt, ganz anders als die Straßen, die wir bisher gesehen habe
Und überall stehen Geländewägen vor den Häusern:
Wir stauen noch mehr, als wir zu Herrys Haus kommen und es von innen sehen. Ein großzügiges, luxuriös eingerichtetes Haus mit vier Schlafzimmern, zwei Bädern, einer großen Küche, einer Art Waschküche, wieder einem Atrium-Garten mit Springbrunnen und einem großzügigen Wohnraum. Herry freut sich sehr über unser Staunen, und als wir seine Frage, ob das für Deutsche auch ein schönes und luxuriöses Haus ist, bejahen, freut er sich noch mehr.
Juliaund ich bekommen ein pink gestrichenes und eingerichtetes Zimmer; seine Tochter Nadya wohnt hier, wenn sie nicht in der Boardingschool ist und im Haus ist, denn dieses Haus, erfahren wir, ist nur das Wochenendhaus. Eigentlich wohnt die Familie in der Nähe von Bandung.
Wir werden richtiggehend abgefüttert mit Obst und Kuchen, dann schlägt Herry uns vor, mit dem Fahrrad das „Cluster“ zu erkunden.
Juliaund ich werden mit schicken neuen Mountainbikes ausgestattet, und einem Helm, ganz wichtig. Der Indonesier fährt zwar recht regelunkonform und schnallt sich grundsätzlich nicht an, auch Motorradfahrer tragen kaum einen Helm, aber alle Fahrradfahrer.
Wir fahren also durch die Siedlung, besonders groß ist sie nicht, und bewundern die schönen kleinen Häuser. Und dann lässt mich mein Orientierungssinn im Stich, was eigentlich nie vorkommt. Aber die Straßen sind nicht quadratisch angeordnet, wie man meinen könnte, sondern laufen teilweise leicht schräg. Und so radeln wir eine Stunde lang im Kreis herum, denn so groß ist das Cluster nicht, fahren nach und nach jede Straße ab, und finden das Haus trotzdem nicht mehr. Es beginnt leicht zu regnen, Julia bekommt schlechte Laune und stellt meinen Orientierungssinn in Frage, ich verzweifle über mich selber. Wie peinlich wäre es denn, wenn Herry uns irgendwann mit dem Auto suchen würde, weil wir nicht nach Hause kommen?
Zudem wird es dunkel, dadurch sehen die Häuser noch ähnlicher aus. Nur durch einen Zufall finde ich die richtige Straße wieder, nach einer schieren Ewigkeit. Herry und seine Frau haben mittlerweile Besuch von einem Paar bekommen, daher fällt es ihnen nicht auf, wie lange wir weg waren, sie meinen nur, dass wir sehr lang unterwegs gewesen wären und ob es uns Spaß gemacht hat.
Hat es, keine Frage. Das Fahren. Das Suchen, na ja…
Wir fahren später mit Herry in ein Restaurant und bestellen Essen zum mitnehmen, auf dem Rückweg werden wir klatschnass, da der Regen hinunterprasselt, Julia den Schirm nicht zubekommt und wir zu zweit daran herumwerkeln. Nach ein paar Sekunden sind wir nass bis auf die Haut.
Nach einem kurzen Essen und einem weiteren Besuch von zwei Familien, setzen sich alles zusammen (vor den Fernseher auf den Boden) und wir versuchen, uns zu unterhalten. Die Männer gehen mit uns weiter die Reiseroute durch und geben uns Ratschläge. Dann dürfen wir ins Bett.
Am nächsten Morgen stehen wir schon um halb sieben auf, da Herry mit uns um sieben Mountainbiken gehen will. Wir fahren los, die Sonne scheint, Nebel hängt über den Feldern, es ist wirklich schön dort.
Wir fahren zu einem nahen See, machen Fotos und lassen uns von den Locals bestaunen, dann geht es die Straße entlang, an der sich die Cluster reihen, bis zu einem Gebäude, einer Art Denkmal für die Naturwissenschaften. Dann fahren wir wieder zurück.
Als wir bei Herry zu Hause ankommen, ist weiterer Besuch eingetroffen. Julia und ich werden ausgefragt, sie sind alle sehr neugierig und sehr nett. Wir fragen uns langsam, ob neben Geländewägen und Wochenendhäusern auch westlicher Besuch ein Statussymbol ist, weil irgendwie immer Besuch da ist, wenn wir auch da sind.
Nach zwei Stunden lockerer Unterhaltung fahren wir zuerst zur Moschee und machen dort ein paar Gruppenfotos, anbei eines für euch, dann in einen Schmetterlingsgarten. Dort werden Schmetterlinge gezüchtet und fliegen frei herum, der Garten ist allerdings mit einem feinen Netz abgedeckt, damit sie nicht wegfliegen oder gefressen werden. Ich kenne bereits alle Schmetterlinge aus der Ausstellung im botanischen Garten in München, die jetzt im Moment gerade wieder ist. Aber ich sehe zum ersten Mal einen lebenden Atlasfalter. Die sind sehr groß und nachtaktiv, deswegen tagsüber sehr müde und langsam, deswegen saß er einfach so auf meiner Schulter:
Nach dem Spaziergang durch den Garten trennen wir uns, Herrys Familie und wir schauen uns „Angklung“, Performing Arts einer Gruppe, die traditionelle Tänze, Gamelanmusik und dieses Angklung-Insturment spielt, an. Es ist ein schönes, kurzweiliges Programm, bunt und mit vielen Kindern, die herumwirbeln und tanzen. Wirklich schön.
Ich erstehe endlich ein Mäppchen für meinen mp3-Player, dann geht es ins Hotel, das Herry für uns ausgesucht hat. Und Bett, endlich. Nach dem Tag sind wir vollkommen erledigt.
Ein kleines Gruppenbild, Julia ist verpixelt, da sie nicht erkannt werden möchte.