4.

Das Klingeln an der Tür riss mich aus dem Schlaf. Ich setzte mich ein wenig zu schnell auf, denn mir wurde schwindlig und schwarz vor Augen. Es kostete mich viel Überwindung, mich nicht wieder zurück ins Bett fallen zu lassen.
Missmutig griff ich nach dem Wecker auf meinem Nachttisch. Drei Uhr.
Ich stand auf, schlüpfte in eine viel zu weite Strickjacke und schwankte benommen zur Tür.
Der Morgen nach einer Party war mir immer ein Graus.
Ich öffnete die Tür einen Spalt breit. Meine Nachbarin stand davor.
„Oh, entschuldige bitte, hab ich dich geweckt?“
„Is nich schlimm“, grummelte ich.
„Die Katze“, meinte sie mit einem Lächeln.
Erst jetzt erkannte ich meinen fetten Kater, den sie im Arm hielt. Wenn ich längere Zeit nicht zu Hause war, passte sie gerne auf ihn auf.
„Er hat seit heute morgen an meiner Tür gekratzt und wollte raus, ich dachte, ich liefere ihn bei dir ab.“
„Hm“, machte ich und nahm ihn entgegen.
Er maunzte kläglich und begann zu schnurren, als ich ihm über den Kopf strich.
„Meine Güte, er ist ja so süß! Aber leider muss ich jetzt einkaufen gehen, und alleine in der Wohnung....“ Sie machte eine Geste mit der Hand. Mir war schleierhaft, was sie bedeuten sollte.
„Süß, ja, wenn er nur nicht so fett wäre“, gab ich zurück. „Aber danke fürs Aufpassen.“
„Bitte, bitte, gerne wieder.“ Sie blickte zu ihrer Wohnungstür. „Ich muss dann auch leider los“, sagte sie entschuldigend und ging zögerlich zu ihrer Tür.
„Mhm“, meinte ich, dann, schließlich konnte die nette Nachbarin nichts für meine Laune, fügte ich noch hinzu: „Viel Spaß beim Einkaufen, und noch ein schönes Wochenende!“
Ich setzte den Kater auf den Boden und schloss die Tür.
Er strich wie ein Fußball um meine Beine, rieb seinen Kopf an meinem Knie und schnurrte zu mir herauf.
„Du nervst“, sagte ich zu ihm. Er funkelte mich von unten an.
„Du siehst aus wie ein Kugelfisch“, gab ich zurück. Er schnurrte noch lauter.
„Du bist dämlich“, meinte ich und ging ins Bad.
Nach einer ausgiebigen heißen Dusche zog ich mir eine graue Jogginghose und ein ehemals schwarzes, nun verwaschenes Top an und ging in die Küche, um mir einen Kaffee zu kochen. Ich mied sorgfältig jeden Spiegel, der in der Wohnung hing. Der Anblick würde mir den Rest geben, ich feierte viel, gerne und lange Partys, ich hatte damit Erfahrung.
Mit einer Kaffeetasse in der Hand und der Zeitung unter dem Arm ließ ich mich auf das Sofa sinken. Genüsslich streckte ich mich, las Zeitung und trank ab und zu einen Schluck. Als die erste Tasse leer war, stand ich auf, um mir eine neue zu holen.
Als ich aus der Küche zurückkam, gerade, als ich mich wieder auf das Sofa setzen wollte, klingelte es erneut an der Tür.
Ich grummelte in mich hinein, stellte die Tasse auf dem Couchtisch ab und ging zur Tür.
Ich öffnete sie, ohne vorher nachzusehen, wer der Besucher überhaupt war.
Draußen in meinem Hausgang stand – Jason McCarthy. Ich konnte ihn zuerst gar nicht erkennen, denn sein Kopf und sein Oberkörper verschwanden fast völlig hinter einem immensen Blumenfeld, das er auf seinen Armen trug.
„Hi“, sagte er und lugte hinter dem Strauß hervor.
„Ah“, machte ich. Es hatte mir ein wenig die Sprache verschlagen.
„Also, ähm... hier“, meinte er und drückte mir das Blumenfeld in die Hände.
Eine Wolke von Tulpen, Narzissen und Lilien umgab mich just in dem Moment, als ich den Strauß entgegennahm. Der Blütengeruch schlug mich fast zu Boden.
„Danke“, sagte ich und starrte auf das Feld.
„Ähm... wofür?“, fragte ich dann.
„Also, es... es tut mir leid, was ich gestern gesagt habe, und, äh... als kleines Dankeschön wegen dem mit der Hand....“, stotterte er vor sich hin. Er blickte abwechselnd auf den Boden, dann wieder zu mir auf. Er wirkte schüchtern und ein wenig unsicher.
„Wie geht es denn der Hand?“, fragte ich. Es kostete mich einige Mühe und Halsverrenkungen, über den Strauß zu blicken.
Er hob die verbundene Hand hoch und zuckte mit den Schultern. „Passt schon.“
Oh, was für ein Held. „Warst du bei einem Arzt?“, erkundigte ich mich streng.
„Ja. Schnittwunde, er hat es geklebt, in zwei Wochen ist alles wieder verheilt. Rechtzeitig zum Drehbeginn.“
„Wie schön“, meinte ich knapp und ging einen Schritt rückwärts in die Wohnung. „Ich... hab noch was zu tun.“
Er sah mich an und sagte einen Moment lang nichts.
„Ja. Ja, natürlich. Also... danke noch mal“, meinte er dann, drehte sich um und ich schloss die Tür.
Was war das denn gewesen?
Plötzlich fiel mir noch etwas ein. Ich öffnete die Tür ein weiteres Mal und sprang hinaus auf den Gang.
„Woher hast du eigentlich meine Adresse?“, rief ich ihm hinterher.
Er war schon auf dem Treppenabsatz zum nächsten Stockwerk angekommen, drehte sich noch einmal um und lächelte zu mir hoch. „Von Nina“, meinte er dann.
„Aha“, sagte ich. Die gute Nina.
Er trat ein paar Stufen zurück, hinauf zu mir.
„Kann... kann ich vielleicht deine Telefonnummer haben?“, fragte er.
„Du weißt doch nicht mal, wie ich heiße, du Spinner“, antwortete ich. „Außerdem hast du sie eh schon, wie ich Nina kenne.“ Er sagte gar nichts, lächelte nur.
„Also...“, meinte ich und ging zurück in die Wohnung.
„Wir sehen uns. Bis dann“, rief er.
„Bis dann“, sagte ich leise und drückte die Tür zu.


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