Sommerhitze – Eine Novelle von Caroline Schleibinger

Drückende Schwüle lag über der Stadt, den Straßen. Seit Tagen hatte es nicht mehr geregnet, Dunst lag über den Wiesen, die eine bräunlich gelbe Farbe angenommen hatten.
Im Auto war es stickig, er dachte, er könnte die Luft schneiden. Annelie stieg auf der Beifahrerseite ein.
„Fahren wir?“, fragte sie ihn, überflüssigerweise.
Er warf einen kurzen, prüfenden Blick in den Rückspiegel und fuhr los.

Sie lag in der Wiese, zwischen den langen Grashalmen war sie kaum zu erkennen. Den Körper bis zum Hals in der Sonne, das Gesicht im Schatten der Erlen, die Bluse aufgeknöpft, die Jeans bis zu den Knien hochgekrempelt.
Das Pferd döste ein paar Meter abseits im Schatten und hob nur kurz den Kopf, wenn sie sich bewegte.
Es war ruhig und friedlich, ab und zu drang zu dem sanften Rauschen der Blätter leises Geschnatter der Enten vom nahen See.
Die Schwüle lag wie ein erstickender Teppich über den Wiesen.
Charlotte wusste es auszuhalten.

Der Weg durch die Stadt verlief zügig. Über den leergefegten Straßen flimmerte die Luft, die Sonne brannte unerbittlich herunter. Annelie hatte das Fenster heruntergelassen, doch die Luft, die nun durch das Auto zog, war nur unwesentlich kühler als die draußen.
Verlassen lag die Theresienweise da, keine Menschenseele ging in dieser verbrannt wirkenden Landschaft spazieren. Wie eine gelb-braune, ausgetrocknete Steppe schien die sonst sattgrüne Festwiese, nicht ein Baum warf seinen Schatten. Niemand würde sich freiwillig zu dieser Zeit dort aufhalten.
Wie gebannt starrte er auf die weißen Vögel, die plötzlich über die Wiese schwebten.
Sie mussten einen Weg gefunden haben, die Hitze auszuhalten.
Doch welchen, fragte er sich.

Sie blinzelte in die Sonne und richtete sich ein wenig auf. „Medea“, sagte sie leise.
Das Pferd hob den Kopf und sah sie aufmerksam an.
„Bleib“, sagte sie und legte den Kopf schief. Das Pferd fiel zurück in einen Zustand des dämmrigen Halbschlafs.
Sie schlüpfte aus ihrer Bluse, knöpfte ihre Jeans auf und streifte sie ab. In ihrem schwarzen Bikini lief sie barfuß durch den Erlenwald zum Seeufer.

Sie hatten die Autobahn erreicht. Annelie hatte das Radio angemacht, er hatte es nach wenigen Augenblicken wieder abgedreht, es hatte ihn in seinen leeren Gedanken gestört.
Sie sprachen nicht miteinander, er sah geradeaus auf die Straße, sie aus dem Fenster. Die Landschaft draußen gefiel ihr nicht, sie war zu trocken, zu leer, zu lebensfeindlich. Sie mochte tiefgrüne Wiesen mit gelben Blumen.

Charlotte hatte das Seeufer erreicht und trat vorsichtig einige Schritte ins Wasser. Es war angenehm kühl und kristallklar, die bunten, meist gelblich grau gefärbten Steine bildeten einen schönen Kontrast zu den silbergrünen Erlenbäumen. Das flache Wasser umspielte ihre Füße, benetzte die gebräunte Haut, perlte von den Knöcheln ab. Sie ging noch ein paar ruhige Schritte weiter ins Wasser, dann holte sie einmal Luft und sprang in einem Bogen unter die Wasseroberfläche, tauchte bis zum Grund und schwamm einige Meter den Boden entlang. Große, bunte Steine und dunkelgrün leuchtende Pflanzen glitten unter ihr vorbei. Sie drehte sich auf den Rücken.
Über ihr glitzerte die Wasseroberfläche und spiegelte den Seegrund. Die einfallenden Sonnenstrahlen brachen sich und warfen Lichtspiele auf die Oberfläche.
Charlotte tauchte auf, legte sich flach auf den Rücken ins Wasser und ließ sich ruhig treiben. Das Wasser trug sie, die Wellen schlugen sacht gegen ihren Körper und spielten sanft mit ihren Haaren. Es war still.

Seit einer Stunde fuhren sie nun schon schweigend geradeaus auf der Autobahn.
Annelie hatte ihre Versuche, sich mit ihm zu unterhalten, eingestellt. Wenn er mit ihr sprechen wollte, würde er es tun, sie konnte ihn nicht dazu bringen, das hatte sie in elf Jahren Ehe gelernt.
Sie hatte bald aufgehört, zu versuchen, ihn zu ändern, sie hatte eingesehen, dass er ihr seine Gedanken wohl nie mitteilen würde. Doch solange er das auch bei keiner anderen Frau tat, konnte sie sich damit abfinden.

Langsam schwamm sie zum Ufer und stieg aus dem Wasser.
Kleine Tropfen perlten von ihrer Haut und liefen ihren Körper hinunter.
Sie schüttelte ihre Haare, Wassertropfen flogen in alle Richtungen davon.
Gemächlich ging sie zurück durch den Wald.
Als sie heraus auf die Wiese trat, hob Medea kurz den schlanken Kopf und wieherte leise. Sie ging zu dem Pferd, strich ihm kurz über den Kopf und legte sich zurück auf die Wiese.


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