Mondensonne - Aus der Shadar-Reihe von Caroline Schleibinger

Endlos schwarze Nacht lag schwer über der Wüste. Klar und hell funkelten die Sterne am Himmel, gestochen scharf, und doch flirrten sie von der Hitze der Luft. Das feine Flirren übertrug sich auf den Boden, der Sand schien zu vibrieren, fast zu singen.
Es war nicht vollständig dunkel, obwohl der Mond nicht schien, dennoch konnte man kaum mehr als Umrisse erkennen. Ein lauer Wind wehte über die Dünen und trieb feinen Sandstaub vor sich her. Er glitzerte leicht unter den Sternen. Manchmal knirschte der Sand, kaum merklich. Langsam kroch die Stille der Nacht in die Täler.
Doch sie wurde unterbrochen durch leises Getrappel in der Ferne. Es wurde schnell lauter und nach wenigen Augenblicken kamen drei Gruppen von Reitern aus verschiedenen Richtungen hinter den Dünen hervor. Sie ritten zusammen in ein enges Tal, umrandet von hohen Felsen.
Hier stiegen die Reiter von ihren Pferden ab. Sie waren alle schwarz oder dunkelbraun und trugen keine Sättel, sondern nur einfaches Zaumzeug mit Zügeln. Sie schnaubten aufgeregt und warf ihre Köpfe umher, die dunklen Augen schimmerten im schummrigen Licht.
Die Reiter traten zusammen und setzten sich in einem Kreis auf den Boden, der noch ein wenig warm war von der Sonne, die tagsüber unerbittlich auf den Boden gebrannt hatte.
Einer von ihnen entzündete ein kleines Feuer, durch die Helligkeit der Flammen waren die Personen nun genauer zu erkennen.
Sie trugen weite Gewänder, in denen sie mit der Dunkelheit verschwammen und fast unsichtbar waren. Die Körper und Köpfe waren fast vollkommen verschleiert, nur die Augen waren frei.
Die Stimmung war angespannt, man konnte die Unruhe spüren, die in der Luft lag und sie nervös atmen ließ.
„Ihr wisst, ein großes Ereignis steht bevor. Heute Nacht wird sich alles entscheiden.“
Er sprach mit gedämpfter Stimme, doch die Besorgnis darin war nicht zu überhören.
„Sie werden kommen und uns besiegen, es spielt keine Rolle, was wir dagegen tun. Was auch immer wir unternehmen werden, es wird sinnlos sein. Sie sind uns bei Weitem überlegen.“
„Wir haben die Prinzessin in Sicherheit gebracht.“
„Gut, aber Es ist noch nicht in Sicherheit. Es muss weggebracht werden.“
„Wollt ihr es weggeben?“
„Das können wir doch nicht machen!“
„Es fällt mir sehr schwer, aber wir haben keine andere Wahl! Wir können es nicht verantworten, dass sie es finden.“
„Ihr wollt es also verstecken und so vor ihnen schützen?“
„Ja. Wir könnten es der Anchwahrerin geben und sie beide verstecken. Sie würde es bis zum Ende verteidigen und beschützen, wir kennen sie. Wenn die Zeit reif ist, werden wir die Prinzessin wieder zurückholen. Und es mit ihr.“ „Falls wir es dann noch finden. Wir könnten es verlieren! Sie könnte angegriffen werden und sterben! Dann ist mit ihr alles verloren, woran wir glauben!“
„Das Risiko müssen wir eingehen.“
„Niemand der Katraker soll irgendetwas erfahren. Wenn sie jemals gefunden werden, ist unser Stamm für immer ausgelöscht. In ein paar Jahren, wenn sich die Wogen geglättet haben und sich niemand mehr an seine Macht erinnert, werden wir zurückkehren und von vorne beginnen.“
„Dann haben wir alles nötige besprochen. Die Allianz ist bereit, jederzeit loszuschlagen.“
„Wir werden verlieren.“
„Nicht für immer.“
Schweigend sahen sie ins Feuer.
„Dann würde ich vorschlagen, machen wir uns auf den Rückweg und bereiten uns auf den Angriff vor. Derweil müssen wir so viele Menschen wie möglich aus der Stadt bringen.“
„Hoffentlich haben wir noch genügend Zeit.“
„Zum Glück wissen die Katraker nicht, dass sie überhaupt existiert. Also werden sie nicht nach der Prinzessin suchen.“
Die Männer erhoben sich und löschten das Feuer. Sorgfältig bedeckten sie die Feuerstelle mit Sand und stiegen auf ihre Pferde. Einer von ihnen sah sich besorgt um und konzentrierte sich auf die Dunkelheit. Dann nickte er, nahm die Zügel seines Pferdes, griff in die dichte, seidige Mähne, stieß sich vom Boden ab und schwang sich auf den Rücken des Tieres. Dann schnalzte er mit seiner Zunge und sein Pferd galoppierte an.
Er ritt voraus und trieb sein Pferd immer schneller an. Er wusste, dass ihnen die Zeit davonlief, und er wollte daher so bald wie möglich zurück in der Stadt sein.
Die Pferde galoppierten schnell. Sie rasten, flogen fast über den trockenen, weichen Sand. Ihre Mähnen und Schweife flatterten im heißen Wind, in dem sich das rhythmische Trappeln der Tiere mischte. Die Pferde schienen über den Boden zu schweben, nur feiner Sandstaub, der von ihren Hufen aufgewirbelt wurde, verriet, dass sie den Wüstensand berührten.
Schnell entfernte sich die Gruppe und verschwand aus dem Tal. Die Spuren, die Reiter und Pferde hinterlassen hatten, hatte der Wind längst verwischt. Nichts zeugte mehr von dem Treffen der Männer.
In wenigen Stunden würde es am Horizont hell werden und ein neuer Tag würde anbrechen. Ein Tag, ganz im Zeichen einer großen Veränderung.


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