2.

Nachdem ich den Organisationsleiter angewiesen hatte, von jedem strengstens den Ausweis zu kontrollieren, der den beiden ähnlich sah, fuhr ich auf das Partygelände und betrat den Club. Die Vorbereitungen hatten noch nicht begonnen, drinnen war es dunkel und kalt. Ich holte mir den Schlüssel für den Heizungskeller vom Hausmeister und schaltete die Belüftung ein. In ein paar Minuten würde es wärmer werden.
Dann begann ich, mich umzusehen und etwaige Hintereingänge zu sondieren. Vor die Notausgänge würde ich jeweils einen Securitymann stellen, damit auch wirklich niemand Ungebetenes hereinkam.
Die Bar war groß und geräumig und stand in der Mitte des Clubs. Von hier aus konnte man alles beobachten, darum beschloss ich, dass ich den Abend hier verbringen würde.
Um sieben Uhr kamen die Mädchen, die an der Bar arbeiten würden, ich wies sie in ihre Arbeit ein und wir besprachen den Ablauf. Etwas später waren auch der Beleuchtungstechniker und der Sicherheitsdienst da, der DJ und der LJ würden später noch kommen.
Die Party heute wurde von unserer Agentur nicht nur geplant, sondern auch veranstaltet. Sie richtete sich hauptsächlich an Jugendliche aus München, auch an die etwas jüngeren ab sechzehn. Für sie gab es kaum Möglichkeiten, richtig in Diskotheken zu feiern. Diese Marktlücke hatte ich vor einiger Zeit entdeckt und meinen Chef überredet, für diese konsumbezogen sehr relevante Gruppe Partys anzubieten. Im Laufe der Zeit waren diese Events immer beliebter und größer geworden, ich war daher gespannt auf den Abend in dieser neuen, größeren Location in der Innenstadt von München.

Die Zeit bis zum Einlassbeginn wurde stressig, denn trotz der sorgfältigen Organisation und Planung gab es einige Überraschungen und Probleme. Eines der Barmädchen schnitt sich beim Vorschneiden der Orangen so tief in den Finger, dass ich sie, obwohl ich natürlich in erster Hilfe geschult war, nicht ausreichend versorgen konnte und zu einem Arzt schicken musste.
Eine andere stürzte beim Aufhängen der Dekoration von der Leiter, weil ihr eine Spinne über die Hand gelaufen war, und konnte ebenfalls nicht weiterarbeiten.
Und ich bekam fast einen Herzinfarkt, als der DJ zu mir kam und meinte, das Kabel zum Hauptstecker sei abgerissen und die Musikanlage daher ohne Strom. Nach einigen Telefonaten, zwei doppelten Espressi und viel gutem Zureden kam ein Bekannter meines Vaters vorbei und brachte mir ein Ersatzkabel. Die Feier konnte beginnen.
Um zehn vor neun wollte ich mir ein Bild der Lage verschaffen und ging zum Eingang. Ich unterhielt mich kurz mit einem der Sicherheitsleute, der mir die Tür nach draußen öffnete. Ich trat hinaus und prallte überrascht zurück. Draußen warteten mindestens zweihundert Leute darauf, hineingelassen zu werden. „Oh!“, entfuhr es mir. Mit einem solchen Andrang hatte ich nicht gerechnet.
„Die ersten sind vor einer Stunde gekommen“, meinte der Security. Ich pfiff durch die Zähne.
„Na dann Jungs, lasst sie rein. Und denkt an das, was ich euch gesagt habe.“ Ich zwinkerte ihnen zu und ging in die Garderobe, um mich umzuziehen. In meinem Arbeitsoutfit konnte ich mich schließlich nicht unter die Gäste mischen.

Nach einer halben Stunde trat ich aus der Damentoilette, umgezogen, geschminkt und mit einer äußerst gut gelungenen Frisur. Der Club hatte sich inzwischen bereits gefüllt, vor der Bar hatte sich eine lange Schlange gebildet. Ich ging hinüber und sah, dass die Mädchen hoffnungslos überfordert waren. Mit einem solchen Andrang hatte ich nicht gerechnet. Kurzerhand band ich mir eine Schürze um und stellte mich zu ihnen.
Eine Stunde lang schenkte ich Getränke aus, mixte Cocktails, schnitt Obst und unterhielt mich mit den Gästen.
Aus dem Funkgerät, das an meinem Gürtel hing, drangen rege Unterhaltungen der Sicherheitsleute, die an den verschiedenen Türen verteilt waren. Ab und zu funkte ich an das Lager, wenn wir etwas benötigten oder eine Putzfrau gebraucht wurde, weil jemand ein Glas fallen gelassen hatte, ansonsten verlief es ruhig und reibungslos, von dem Gedränge einmal abgesehen.
Doch dann wurde ich gerufen.
„Vera Buchner, bitte kommen“, tönte es aus dem Funkgerät.
„Ja, hier Vera, was gibt’s?“, fragte ich.
„Bitte zum Haupteingang, wir haben hier ein Problem.“
„Gut, ich komme“, sagte ich, legte die Schürze weg und eilte zum Eingang.
Einer der Securitys öffnete die Tür, als er mich herankommen sah, und ich trat hindurch. Draußen standen zwei weitere Sicherheitsleute, Nina und – die beiden McCarthy-Brüder. Sie rauchten, Nina diskutierte mit den Securitys.
„Wir haben ein Problem“, sagte einer der beiden zu mir und wies mit dem Kopf in Richtung der Brüder.
„Der eine ist noch nicht sechzehn und will unbedingt rein. Hat allerdings `nen Ausweis, mit dem er älter ist. David McCarthy, du weißt schon, Vera.“ Er sah mich bedeutungsvoll an.
Ich trat zurück hinter eine Säule, damit sie mich nicht sahen und beobachtete sie kurz. Der Jüngere, David, redete auf einen der Securitys ein, der Ältere, Jason, zog an einer Zigarette und beobachtete gelangweilt die Überzeugungsversuche seines Bruders.
Ich schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, der kommt hier nicht rein. Und der andere soll seinen Ausweis abgeben“, sagte ich entschieden.
Sorry Nina, dachte ich.
„Willst du mithören, wie sie sich aufregen?“, fragte der Security und grinste mich an.
„Könnte amüsant werden“, gab ich zurück und lächelte.
Der Securitymann nickte mir zu und trat nach draußen. Er ging zu der kleinen Gruppe hinüber. Über das Funkgerät konnte ich hören, was sie sprachen.
„Sorry Jungs“, sagte er, „die Chefin kann leider keine Ausnahme machen. Du kommst gar nicht rein, und du musst deinen Ausweis abgeben. Da kann ich leider nichts machen.“ Das Wort leider hatte er sehr höhnisch betont. Ich musste grinsen. Durch die Glasscheibe neben dem Eingang sah ich, wie der Ältere seine Zigarette auf den Boden warf und austrat, der Jüngere fluchte, drehte sich ärgerlich um und winkte ein Taxi her.
Als Nina und der andere auf den Eingang zukamen, wand ich mich um und ging zurück in den Saal.
Ich musste mich fast durch das Gedränge schlagen, so viele Jugendliche waren mittlerweile im Club. Es schien den meisten zu gefallen, die Stimmung war gut, es floss reichlich Alkohol.
Ich ging an den verschiedenen Kassen vorbei und kontrollierte die Einnahmen, was mich zufrieden stellte. Partys feiern konnte ziemlich teuer werden, wenn man sich verkalkulierte, doch die bisherigen Einnahmen waren äußerst beruhigend.
Ich trat wieder hinter die Bar, an der es immer noch ein wenig hektisch zuging.
Nach ein paar Minuten kam Nina an die Bar und bestellte ein paar Drinks, die ich ihr mixte. „Es tut mir leid, aber du siehst ja, was hier los ist, und auf Ärger mit der Polizei oder der Jugendbehörde habe ich echt keine Lust“, sagte ich entschuldigend. Ich überlegte kurz, ob ich ihr die Drinks spendieren sollte, entschied mich aber dann dagegen. Erstens waren die McCarthys wohlhabend genug, zweitens gab es eigentlich nichts, wofür ich mich hätte entschuldigen müssen, und drittens wollte ich nicht den Eindruck aufkommen lassen, ich wollte mich bei ihr beliebt machen.
Das wollte ich in der Tat nicht, auf Menschen ihrer Sorte legte ich keinen besonderen Wert in meinem Freundeskreis, in den ich sie nicht im Geringsten aufzunehmen gedachte.
„Ich verstehe das schon“, meinte sie, zahlte und ging in die Richtung, wo die schönen, weißen Ledersofas standen, auf denen man sich ausruhen konnte. Ich lehnte mich an den Schrank hinter mir und beobachtete die Menschen auf der Tanzfläche.

Der Abend verlief weiter ohne schlimmere Zwischenfälle. Um kurz vor zwölf jedoch trat der „Stargast“ zu mir an die Bar und bestellte. „Einen Wodka-Bull“, sagte er, ohne aufzusehen.
Ich stellte den Drink vor ihn auf den Tresen.
„Sieben Euro“, meinte ich.
Er zog einen Zehner aus seiner Jeans und schnippte ihn auf den Tresen in meine Richtung. Dann hob er den Kopf. „Passt so“, sagte er herablassend. „Damit ich mir auch mal was leisten kann?“, fragte ich mich in Gedanken und steckte den Schein ein. Entrüstet über so viel Arroganz und Überheblichkeit griff ich nach einem Poliertuch und begann, damit ein Weinglas zu bearbeiten. Als ich aufsah, bemerkte ich, dass er nicht zu seinen Leuten zurückgegangen war, sondern kaum einen Schritt entfernt vor der Bar stand und mich von der Seite ansah.
„Was?“, fragte ich genervt und hielt mit dem Polieren inne.
Er trat zurück an den Tresen.
„Bist du dir nicht zu schade, hier an der Bar zu stehen?“, fragte er mit einem todernsten Blick.
„Bitte?“, entfuhr es mir.
„Willst du nicht vielleicht zu uns rüberkommen zu den Sofas, zu denen, die Spaß haben?“
Eine Welle der Wut schwappte durch meinen Körper. Ich stellte das Glas unsanft auf den Tresen, stemmte die Hände in die Hüften und funkelte ihn an.
„Junge, lass mich mal was klarstellen. Du“, sagte ich scharf und deutete mit dem Zeigefinger auf ihn, „du bist hier auf meiner Party. Ich muss mich garantiert nicht von dir irgendwohin einladen lassen.“ Ich hielt kurz die Luft an.
„Und im Übrigen, es ist zwölf, du packst jetzt deine Sachen und gehst. Sofort.“
Er sah mich an und schien ein wenig aus der Fassung geraten zu sein. Dann drehte er sich um und stapfte davon.
Ich atmete tief ein und schnaubend aus.
„Na, dem hast du es aber gegeben!“, sagte eines der Barmädchen und zwinkerte mir zu.
„Hm“, gab ich zurück, was aber nur für mich hörbar war, die Musik war zu laut.


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